Warmherzig und unaufgeregt

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Im Wien der Nachkriegszeit pachtet Robert Simon eine Gastwirtschaft, um sich den Traum eines eigenen Cafés zu erfüllen. Wein, Bier, Soda und Schmalzbrote ziehen die Anwohner des Viertels ins Café. Das Angebot ist klein, doch hier trifft man sich vor allem, um ein wenig aus dem Alltag auszubrechen und Geschichten auszutauschen. Seethalers Charaktere und ihre Eigenheiten, Sehnsüchte und Hoffnungen sind es, die das Café - und auch das Buch - ausmachen.

Die Stadt verändert sich vor den Fenstern des namenlosen Cafés. Robert Simon und seine Gäste wirken dabei manchmal wie aus der Zeit gefallen, während sie ihren Platz suchen in der neuen Welt, die aus den Trümmern des Krieges in den 60er und 70er Jahren entsteht. Seethaler zeichnet geschickt mit Dialogen aus dem Café, die man am Nebentisch sitzend aufschnappen würde, szenische Bilder im Kopf. „Das Café ohne Namen“ kommt dadurch an vielen Stellen wie ein Kammerspiel daher - plastisch, eindringlich.

Mir persönlich hat allerdings ein wenig der rote Faden in der Handlung gefehlt und der Zugang zum Protagonisten. Gefühlt bin ich (zu) häufig am Nebentisch sitzen geblieben, statt direkt in das Buch hineingezogen zu werden. Dadurch habe ich über einen Monat gebraucht, um das Buch zu beenden. So ähnlich ging es mir auch schon bei „Ein ganzes Leben“ - vielleicht passt Robert Seethaler einfach nicht ganz zu meinem Buchgeschmack. Wer Fan seiner Bücher ist oder gerne ruhige, unaufgeregte Handlungsstränge liest und in eine andere Zeit eintauchen möchte, wird „Das Café ohne Namen“ aber sicher mögen.