Wiener Caféhaus in den 60ern

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marcialoup Avatar

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Kriegskind Robert Simon ist Kriegswaise, hat Vater und Mutter im Krieg verloren, hat auch die Schulzeit größtenteils verloren, weil eine Bombe seine Schule zerstört hat. Danach hat er dann lieber gearbeitet in dem ein oder anderen Job, hat sich dann Mitte der 60er einen Traum erfüllt und eine heruntergekommene, kriegsverstaubte Gastwirtschaft Nähe des Karmelitermarktes in Wien gepachtet. Klein fängt Robert Simon an, mit ein paar Getränken und Schmalzbrot, was den Menschen aber vollkommen ausreicht, um nach den Wirren des Krieges wieder zu sich selbst zu finden und vor allem wieder einen Ort der Gemeinsamkeit zu haben. So macht es niemandem etwas aus, dass das Café keinen Namen hat.
Im 5. Kapitel lernen wir Mila kennen, eine junge Frau, die als Näherin ihre Arbeitsstelle verliert und nun bei Simon im Café anheuert.

Zunächst einmal für mich kein leichtes, dieses Buch zu rezensieren, denn es hat mich insgesamt nicht so angesprochen wie erhofft. Was aber nicht unbedingt an Robert Seethaler liegt, denn das Buch ist gut gemacht, fließt in seinen Wörtern mit Wiener Charme dahin und erzählt eine gute Geschichte im Neuanfang nach Kriegszeiten. Überrascht hat mich, dass Robert Seethaler's Buchfigur Robert Simon heißt, was mich zuweilen durcheinander brachte, zumal er im Roman überwiegend nur Simon genannt wurde.
Die Geschichte selbst ist ok. Robert Seethaler zeichnet in dem Café ein Zeitgeschehen der Nachkriegsjahre, der Aufbaujahre, des Neuanfangs, in dem einzelne Café-Gäste gekonnt detailreich dargestellt werden in ihren Eigenarten durch ihre Lebensgeschichten, und erzeugt dadurch ein Bildnis eines für diese Zeit wichtigen Ortes - dem Café ohne Namen - wo große und kleine Probleme gewälzt werden, Dramen passieren, wo kleine Hoffnung auf große Liebe im Raum steht, wo Neues entsteht und Altes abgestreift wird, wo das einfache Beisammensein ein freies und gemeinschaftliches Gefühl entstehen läßt. Auch Ängste und Sorgen haben Eintritt, finden immer ein Ohr bei Irgendwem. Es passiert viel in diesem Roman und doch auch irgendwie nicht. Deshalb bin ich etwas zwiegespalten, was ich davon halten soll.

Das Cover gefällt mir in seiner Schlichtheit und man stellt sich vor, die Person, die abgebildet ist, ist Robert Simon, quasi im Nichts, das er verwandeln wird in einen Ort, den jeder braucht - das Café.