Eine Berg- und Talfahrt durch das Lesevergnügen

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skaramel Avatar

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Cover, Klappentext, Protagonist – alles schreit nach Dan Brown. Aber dessen Name steht nicht auf dem „Einstein-Enigma“, sondern J.R. Dos Santos. Dieser hat seinen Kryptanalysten Tomas Noronha quer durch die Welt geschickt und das alles für ein Manuskript Albert Einsteins. Jedoch scheint es hier nicht ausschließlich um Relativitätstheorien und andere Berechnungen zu gehen, sondern ausgerechnet um das, womit sich die Physik selten beschäftigt: Gott.

Zugegeben, Dos Santos war mir vor diesem Werk kein Begriff und auch das Cover wirkte wenig einladend. Viel zu sehr erinnert es an eine kopierte Ausgabe der Bücherclubs-Exemplare. Doch die ersten Seiten haben mich eines besseren belehrt und mich sofort in die Geschichte eintauchen lassen. Der Einstieg gelingt zunächst noch leicht. Ein kleiner Rückblick in die Vergangenheit und dann übernimmt schon Protagonist Tomas das Ruder. Doch leider kam nach dem großen, fantastischen Anfang auch direkt die Talfahrt. Ausgelöst wurde die durch zwei gravierende Probleme: Das Erste ist die Übersetzung. Der Stil ist einfach nicht rund. Immer wieder kommt man ins Stocken, hält inne und reflektiert die Sätze. Nicht, weil ein bemerkenswerter Satz der Auslöser war, sondern weil man den Fehler finden will. Warum bin ich darüber gestolpert? Leider führte dies oft dazu, dass die Sätze gestellt und seltsam wirkten und man dadurch den Lesefluss unterbrechen musste. Daher war oft schon nach wenigen Kapiteln Schluss, obwohl das untypisch für mein eigenes Leseverhalten war. Leider glaube ich hier nicht, dass es sich um das Talent bzw. Versages des Autors handelt, sondern um ein wahrlich missglücktes Lektorat. Das macht es leider nicht besser, wenn man zwischen den Zeilen die Intention erkennen kann, es aber an der Sprache hapert.
Der zweite Punkt kommt mit dem ersten einher. Die Sätze, bzw. die Dialoge waren oft einfach zu gewollt. Oft kam der Gedanke „So redet kein Mensch“ auf und schon wieder stockte die Geschichte. Auch wurden mir viele Fachgebiete zu seltsam erklärt. Ich bin sicherlich kein Physiktalent und war froh über Einführungen bzw. Auffrischungen in die wichtigsten Elemente, jedoch ist es etwas schade, wenn es so läuft: „Tomas, was sagt dir die Relativitätstheorie?“ „Ich kenne sie, aber mein Wissen ist nicht mehr aktuell.“ „Okay, frischen wir es auf: ….[hier bitte langen Monolog über einen physikalischen Schwerpunkt einfügen]“. Das war so gestellt und so unpassend, dass man sich nach zehn Seiten fast wieder wachrütteln musste, weil man ja doch noch in einem Dialog war. Man hat es leider nicht charmant eingebaut, sondern stattdessen sicherlich 200 von 600 Seiten für wissenschaftliche Ausführungen vertan. Das war natürlich nützlich, leider stümperhaft und dadurch langweilig eingefügt. Alles in allem sehr schade, da sonst alles wirklich stimmte: Setting, Charaktere, auch die Story. Leider – mag es an meinem Germanistikabschluss liegen oder daran, dass ich eine gewissen Leidenschaft für Sprachästhetik hege – hat dies dem Buch viel Gutes genommen und ich denke mit einer überarbeiteten Version der Übersetzung könnte man wesentlich mehr machen.

Denn wenn Dan Brown eins verloren hat, dann ist es Spannung und neue Themen. Wir wollen schon lange nicht mehr Langdon mit seiner Tweetjacke über den Vatikan fliegen sehen. Was wir aber wollen sind genauso sympathische Protagonisten und den gleichen Flair einer Geschichte. Genau das hat J.R. Dos Santos – alles ist da, es ist müsste nur wesentlich besser verpackt werden!