Mogelpackung

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
takabayashi Avatar

Von

Der Roman wird vom Verlag als Spionagethriller vermarktet, die Wahl des deutschen Titels lässt etwas Ähnliches wie den Da Vinci Code vermuten. Es fängt auch ganz spannend an, so wie der Verlagstext es verspricht: „Kairo, 2006.
Der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha soll ein mysteriöses Manuskript entschlüsseln. Sein Titel? Die Gottesformel. Sein Autor? Albert Einstein. Was auf dem Spiel steht? Nichts weniger als die Anleitung für den Bau einer billigen Atombombe.
Wider Willen wird Tomás als Doppelagent des Iran und der CIA in eine internationale Spionageaffäre verwickelt und kommt im Rahmen seiner Ermittlungen einem der größten Rätsel der Welt auf die Spur: dem wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes.“
Nach den ersten Kapiteln tritt allerdings die Thrillerhandlung immer mehr in den Hintergrund, und es geht um endlos lange Diskurse mit diversen Wissenschaftlern, in denen der Protagonist, selbst Historiker, von anderen Kapazitäten über physikalisch-philosophische Sachverhalte belehrt wird und immer abwechselnd „Das verstehe ich nicht“ bzw. „Ja, das weiß ich“ sagen darf. Mir erscheint der Roman ein Vorwand zu sein, um eine populärwissenschaftliche Abhandlung zu publizieren. Es geht von Einsteins allgemeiner und spezieller Relativitätstheorie, über die Heisenberg’sche Unschärferelation, Schrödingers Katze, den Urknall, die Chaostheorie, schwarze Löcher usw. bis zu den Fragen nach einem freien Willen des Menschen, dem Sinn des Lebens und der Existenz Gottes. Schön und gut, auch einigermaßen allgemein verständlich formuliert, aber dem Spannungsniveau definitiv abträglich.
Im Gegensatz zu Dan Brown (dessen Romane ich keinesfalls für Meisterwerke halte), schafft der Autor es nicht, die beiden Komponenten stimmig zu koordinieren. Beim Da Vinci Code geht es ja auch teilweise um wissenschaftliche Erkenntnisse, aber diese sind so in die Handlung eingebaut, dass sie zum Spannungsaufbau beitragen.
Zuerst war ich noch geduldig und gewillt, den physikalischen, philosophischen und religionswissenschaftlichen Ausführungen zu folgen, doch je mehr diese in den Vordergrund traten, desto ungeduldiger überflog ich die Seiten. Mich erinnerte das ein wenig an Karl May, der ja hin und wieder auch in seinen Büchern lange religionsphilosophische Diskurse eingebaut hat, die ich als jugendliche Leserin genervt überschlagen habe. Die handelnden Protagonisten scheinen den Autor am Ende gar nicht mehr zu interessieren, und auch als Leser ist es einem dann ziemlich egal, was aus Tomás und Ariana wird.
Den anderen, zum Teil sehr positiven Rezensionen, kann ich mich nicht anschließen, für mich hat der Autor sein Thema verfehlt. Oder der Verlag hat die falsche Marketingstrategie gewählt.