Alles ist relativ, auch der Lesegenuss

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Am Caputher See bei Berlin wird eine junge Frau gefunden. Offensichtlich ist sie Opfer eines Verbrechens geworden. Sie kann sich an den Vorfall allerdings nicht mehr erinnern. Dr. Martin Kirsch nimmt sich als Psychologe diesem Fall an. Er deckt dabei mehr auf, als es zunächst den Anschein hatte. Es geht darin nicht nur um Psychologie und Physik, sondern vor allem um die familiären Verhältnisse des berühmtesten Wissenschaftlers des letzten Jahrhunderts.

 

Philip Sington wählt für seinen Roman eine Zeit des Umbruchs. 1932 griffen die Nationalsozialisten bereits nach der totalitären Macht und bekamen nur noch wenig Widerstand von anderen politischen Parteien. Schon im Satzbau mancher Abschnitte wird die befehlslastige Atmosphäre deutlich. Viele Wissenschaftler, unter anderem Einstein selber, wurden als Juden verfolgt und flüchteten ins Ausland. Protagonist in dieser Geschichte ist der Psychologe Martin Kirsch. Er gilt als zielstrebig und verwendet auch die Beziehungen der höheren Gesellschaft durch seine Verlobte Alma zu seinen Gunsten. Als er den Fall um das Einstein-Mädchen Marija übernimmt, gerät seine Weltanschauung nicht nur durch die romantischen Gefühle ins Wanken. Er macht sich auf die Suche nach Marijas Vergangenheit und findet auch die von Albert Einstein.

 

Ein zweiter Handlungsstrang erzählt in Briefform das Leben einer jungen Frau, deren Identität erst nach und nach deutlich wird. Die Korrespondenz wird offensichtlich mit Einsteins Sohn geführt, der unter Schizophrenie litt. Die wechselnde Perspektive verleiht dem Handlungsverlauf Geschwindigkeit, die durch manche ausführlichen Beschreibungen, speziell Einsteins Überlegungen zur Quantentheorie, wieder herausgenommen wird. Die exakte Recherche verleiht dem Roman fast schon etwas Biografisches. Politische Meilensteine sind genauso verarbeitet, wie der damalige Stand der Psychiatrie. Zeitweise ist es wirklich schwer, Fiktion und Wirklichkeit auseinander zu halten.

 

Mit dem Roman um das Einstein-Mädchen ist dem Autor die Mischung aus historischem Roman und Krimi gelungen. Er zeichnet die historische Kulisse mit dem entsprechenden Sittengemälde plastisch nach. Die Charaktere bleiben allerdings oftmals nebulös verschwommen, was die Absicht ihrer Handlungen nicht immer eindeutig erkennen lässt. Dieses Buch fordert dem Leser einiges an Konzentration ab. Zu den unterschiedlichen Taten werden fast wie nebenher Informationen eingestreut, die sich erst im Nachhinein als wichtig erweisen. Vielleicht ist es aber gerade deshalb so bemerkenswert. Die Geschichte um Marija wirkt dadurch noch lange nach.