Klarer Blick fürs Leben

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Inhalt
Albert Entwistle steht kurz vor seiner Pensionierung als Postbote in der Kleinstadt Toddington. Bis dato hat er es geschafft, den meisten Menschen aus dem Weg zu gehen, auch seinen Kollegen. Als jedoch Weihnachten ansteht, seine geliebte Katze stirbt und er einige alte Fotos seiner Jugendliebe findet, beschließt er, sein Leben zu ändern. Albert will George, der sein größtes Geheimnis war, wiederfinden und sich für die Ereignisse entschuldigen, die sie fünfzig Jahre zuvor trennten. Aber das ist gar nicht so einfach.


Meinung
Eine rasch gelesene, manchmal etwas kitschige, aber dennoch sympathische Geschichte, die leider nicht ohne erhobenen Zeigefinger auskommt.
Albert lebt anfangs zwar sehr zurückgezogen und kann getrost als kauzig bezeichnet werden, aber er war nie unsympathisch, eher noch schüchtern. Die einzigen menschlichen Kontakte, die er hatte, waren seine Kollegen und einige Menschen, die er auf seiner Postrunde getroffen hat. Hier hat Cain leider tief in die Klischeekiste gegriffen, wenn sich das auch größtenteils überlesen lässt.
Alberts Entscheidung, sein Leben zu ändern, ist nachvollziehbar. Die brachiale Gewalt, mit der vorgeht und quasi mit einem Fingerschnipsen alles auf den Kopf stellt, was ihn fünfzig Jahre begleitet hat, leider nicht. In so vielen Jahrzehnten haben sich zu viele Dinge eingefahren und hätten mehr als nur einer winzigen Entscheidung bedurft. Kein Wankeln, kein Zaudern, leider auch keine Höhen und Tiefen. Albert weiß, wen er ansprechen muss und erhält von allen Seiten Zuspruch und Hilfe. Selbst die größten Plappermäuler und –isten entschuldigen sich bei ihm und stehen ihm zur Seite. Seine größte Unterstützerin ist die dunkelhäutige neunzehnjährige alleinerziehende Mutter Nicole, die eine Ausbildung zur Kosmetikerin macht und sich einen eigenen Salon wünscht. Sie ist in einer neuen Beziehung mit dem Studenten Jamie, dessen Eltern wenig von seiner neuen Liebe begeistert sind.
Auf der Suche nach George muss sich Albert einigen Menschen öffnen und die sozialen Medien, mit denen er sich nicht auskennt, nutzen. Dabei gibt es noch einen kleinen geschichtlichen Diskurs, denn in Alberts Jugend konnte man noch wegen seiner Neigungen verhaftet werden. Und die Jahrzehnte danach waren ebenfalls bewegt. Nur dass Albert all das nicht mitbekommen hat und quasi in eine für ihn völlig neue Welt eintaucht. Er und George haben so extrem gegensätzliche Leben gelebt, dass leider im Raum steht, dass sie eventuell nicht mehr zueinander passen.
Das aktuelle Geschehen wird immer mal wieder mit kleinen Zwischenkapiteln aufgelockert, in denen Albert und George als Jugendliche zusammen sind.
„Das geheime Leben des Albert Entwistle“ ist ein netter kleiner Roman für zwischendurch, besonders für Leser, die etwas für übertriebene Happy Ends übrig haben und leichten Kitsch vertragen können.