Zuerst war ich skeptisch!

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ismaela Avatar

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Aber dann begeistert. :-)

Ich bin kein allzugroßer Sherlock Holmes Fan, weil ich diese Figur relativ unsympathisch finde. Die einzelnen, wenigen Male, bei denen ein bisschen Menschlichkeit hervorblitzt ist, wenn Holmes' treuen Freund Watson etwas zustößt und der große Detektiv tatsächlich so etwas wie Gefühle zeigt.

Als mir "Das Geheimnis des weißen Bandes" empfohlen wurde, bin ich also zuerst einmal ein bisschen skeptisch an das Ganze herangegangen, aber nach dem Umblättern der letzten Seite war ich richtig begeistert.

Klar, diese ständige Überpräsenz von Holmes und sein ausuferndes Analysieren und Zerpflücken von Situationen und Personen (Woher wissen Sie das???) wirkt mit der Zeit fast schon ein bisschen parodistisch, aber trotzdem gelingt es Horowitz, genau im Stil von Doyle zu schreiben, aufgelockert mit ein paar mehr menschlichen "Blitzern" bei Holmes.
Die Spannung wird sehr gut aufgebaut, die Dialoge sind kurzweilig und schmissig und die Auflösung am Schluss lässt fast nichts zu wünschen übrig.

Der einzige Kritikpunkt ist die Thematik als solche (Achtung! Spoilergefahr!): Holmes und Watson bearbeiten hier ihren "dunkelsten" Fall, in dem es um ein Freudenhaus geht, in dem minderjährige Jungen von Männern missbraucht werden, und diese Männer sind Mitglieder aller Schichten, bis hinauf in allerhöchste Regierungskreise. Holmes und Watson sind zu tiefst erschüttert und angeeklet von dem, was sie zu sehen bekommen, und natürlich sollen sie es ja auch sein. Aber wenn man bedenkt, dass zur gleichen Zeit (sowie vorher als auch bis hinein in unsere Zeit) die hundert- bis tausendfache Menge an minderjährigen Mädchen tagtäglich in genau solchen Etablissements sexuell missbraucht werden, ist das Entsetzen der beiden ein bisschen übertrieben.

Aber alles in allem ein tolles Buch, das Lust auf mehr Horowitz macht!