Gaia, Mutter Erde

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juniverse Avatar

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Vor Jahrhunderten fiel die Erde einem Atomkrieg zum Opfer. Die alte Welt existiert nicht mehr, einzig Das Gesetz der Natur sorgt für Recht und Ordnung unter den Menschen der neuen Welt. Laut diesem Gesetz sind Bücher, Feuerwaffen und Mutanten verboten und müssen vernichtet werden. Mutanten, wie Gaia eine ist. Sie lebt versteckt in der Wildnis, aufgezogen von zwei Männern, die sich Jäger und Lehrer nennen. Doch als ihr Versteck aufgespürt und sie in einer grausamen Welt plötzlich auf sich allein gestellt ist, bleibt ihr nur eine Sache übrig - Gaia muss die letzten Bücher der Erde finden...

„Das Gesetz der Natur“ ist der ersten Teil einer dystopischen Trilogie von Solomonica de Winter.

Ich brauchte sehr lange, um mir meiner Gefühle für dieses Buch klar zu werden. Es ist eine Erzählung, wie man sie am Lagerfeuer weitergibt, aber gleichzeitig auch ein (Fantasy-)Epos, in dem man die Protagonistin über eine große zeitliche und örtliche Distanz kennenlernt und begleitet.

Der Fantasy-Aspekt wirkt auf den ersten Blick wie eine Metapher und fügt sich daher nahtlos in die Szenerie ein. Jedoch ist dieser Anteil in der Geschichte minimal. Wer ein ausgeklügeltes Magie-System und übernatürliche Phänomene erwartet ist mit diesem Buch nicht richtig beraten.
Außerdem scheint dieses Buch nur der Prolog der Trilogie zu sein. Die angepriesene Mission nimmt nämlich nur einen kleinen Teil der Geschichte in Anspruch.

Gaia ist die stärkste Protagonistin, von der ich jemals gelesen habe. Diese Stärke macht sie jedoch für Buchcharaktere und Leser gleichermaßen unnahbar. Durch ihre „Mutation“, bei der es sich um Merkmale einer Verstrahlung handelt, wird ein eigentlich normales Mädchen von der Außenwelt zum Monster gehalten. Aber durch diese Annahme, beginnt Gaia diese Rolle Stück für Stück anzunehmen.

Ihre Mentoren sind spannende Charaktere, Einer von beiden ist ein abgrundtief guter Mensch, der andere das Böse in Person. Sie verkörpern dieses Bild konsequent und mithilfe dieser Personifikation trifft die Autorin intelligente Aussagen über diese Art von Dualität.
Trotz einer großen Menge an Nebencharakteren bringt man diese nicht durcheinander. Jeder von ihnen wird ausführlich vorgestellt und damit ein unverwechselbarer Charakter verliehen.



Die Autorin durchbricht hin und wieder die vierte Wand. Dadurch gibt es jedoch keine überraschenden Wendungen, denn der Erzähler nimmt den Ausgang spannender Situationen meistens vorweg.


Der Schreibstil poetisch und klangvoll, aber so distanziert, dass ich mich sehr weit von der Handlung entfernt gefühlt habe.
Das mangelnde Einbeziehen der Leser sorgt für eine massive Entzerrung der Geschichte. Eingezeichnet passiert konstant unglaublich viel und das unglaublich rasant. Oft passieren Sachen innerhalb von Stunden, aber trotzdem fühlt es sich an wie Monate. Andererseits begleitet man die Charaktere dadurch über eine lange Zeit und lernt sie daher kennen und kann sie wirklich nachvollziehen.

Außerdem gibt es immer wieder Einschübe, welche die neuen Gesetze beinhalten und kurze Abschnitte, die die Handlung in Form von Gedichte deutlich voranbringen.

Natürliche menschliche Körperprozesse werden unbeschönigt dargestellt. Egal ob Verletzungen, die Auswirkungen von Strahlung oder Geburt und Menstruation.

Diese Dystopie ist konsequent durchdacht, gut recherchiert und ausgearbeitet. Es handelt sich um ein Szenario, dass ich mir exakt so in der Zukunft vorstellen kann. Was passiert, wenn die Menschheit einen Neuanfang bekommt? Können die Menschen ihrer Natur entkommen? Oder werden dieselben Prozesse in Gang gesetzt, welche die Erde schon einmal an den Rand des Untergangs gebracht haben? Auf all diese Fragen gibt Solomonica de Winter in ihrem Buch eine mögliche Antwort.

Bleibt nur noch eine Frage: Was möchte dieses Buch aussagen? Ich habe viele Theorien und so richtig weiß ich es immer noch nicht.
Zuerst hielt ich es für einen Vorwurf an die Verdorbenheit der menschlichen Rasse. Doch das steht in starken Gegensatz zur Lobpreisung an das Leben und die Weiblichkeit. Die Autorin dokumentiert, wie die sorgfältig gehüteten Gesetze, die so lange das Überleben der Menschen gesichert haben, Stück für Stück zerfallen. Trotzdem kann man nicht von einer Verbesserung oder Verschlechterung der Lage reden, denn auch mit den Gesetzen war das Leid allgegenwärtig. Es ist also eine Trilogie über den Kreislauf des Lebens, dem die Menschheit niemals entgehen kann, unabhängig von Zeit und Raum.

Nichtsdestotrotz konnte das Buch mich nicht richtig packen und zum weiterlesen der Trilogie animieren. Wenn ich mich ans Lesen gesetzt habe, flogen die Wörter nur so vorbei, trotz des Umfangs von beinahe 600 Seiten. Aber die Handlung konnte mich zu keinem Zeitpunkt fesseln, Gaia selbst konnte mir nie mehr als müdes Verständnis entlocken und selbst actiongeladene Szenen wirkten, wie bereits geschehen.

Dieses Buch kann für sich alleine stehen. Obwohl ich die Trilogie nicht weiterverfolgen werde, bin ich gespannt, was sich Solomonica de Winter für die nächsten Teile überlegt hat. Zumindest dem Klappentext werde ich also eine Chance geben.

Bei „Das Gesetz der Natur“ handelt es sich um ein besonderes und durchaus gelungenes Buch in vielen Hinsichten. Nur meinen persönlichen Geschmack konnte es eben einfach nicht treffen. Ich lege den Roman Fans von Dystopien ans Herz, die kein Problem damit haben, über die Abgründe der Menschheit zu lesen. 🌎