Literarisches Memoir

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Der österreichische Autor Arno Geiger hat sich mit so fantastischen Büchern wie Es geht uns gut oder Der alte König in seinem Exil einen festen Platz in der Literatur erschrieben. In beiden Werken hat er seine Familiengeschichte (teilweise) verwertet oder gar direkt über die Demenzerkrankung seines Vaters geschrieben.

In seinem neuen Buch Das glückliche Geheimnis beschäftigt sich Arno Geiger mit seinem persönlichen Werdegang, seinen (recht) erfolglosen und holprigen Anfängen als Schriftsteller, seinen Beziehungen als junger Mann und schließlich seinem Erfolg, der ihm wiederum ziemlich zusetzt (oder eher der Rummel im Kielwasser des Erfolgs).

Ganz wesentlich sind in seiner Geschichte auch ausgedehnte Touren durch das Wiener Altpapier, wo er Bücher, Briefmarkensammlungen, Kunstpostkarten findet und zu Geld macht. Aber es ist nicht allein wirtschaftlich motiviertes Verhalten, es ist in gewisser Weise Freiheit, die Überwindung von Scham. Seine Touren formen ihn, das sich Quälen zum frühen Aufstehen, die Bücher, die er findet und liest, die Verletzungen, die er sich beim in Container klettern zuzieht. Und ganz besonders Tagebücher und Briefe, die er findet und die ihn in seinem Schreiben prägen. So setzt er seine „Lumpensammlerei“ auch als Star-Autor nach Gewinn des Deutschen Buchpreises fort.

Das Buch liest sich sommerlich leicht, nicht nur das Cover ist für eine Januarneuerscheinung extrem gelb und orange. Ein bisschen literarischer Sommer im Winter also. Obendrein ist es ein gut geschriebenes Memoir, in dem Geiger kein Blatt vor den Mund nimmt. Über die Krankheiten seiner Eltern schreibt. Seinen Verlag hart angeht für jahrelange Vernachlässigung und fehlende Unterstützung am Anfang seiner Karriere (so wird er auch nicht von Hanser ins Rennen für den Buchpreis geschickt, sondern sein Lektor sendet das Buch heimlich an zwei Juroren). Auch eigene charakterliche Fehler (und Affären) des Autors werden nicht unterschlagen.

Und hier setzt auch ein Kritikpunkt an, den ich bei allem Wohlgefallen und Begeisterung für sein Werk nicht übergehen will: An manchen Stellen schimmert eine Selbstverliebtheit durch, die man Künstler:innen vielleicht zugestehen muss, die teilweise aber befremdet.

Auch seinen Umgang mit den Frauen in seinem Leben empfand ich beim Lesen an manchen Stellen als schwierig. Ich bin an dieser Stelle auch nicht bereit seinem dreißigjährigen Ego aus den späten 90er Jahren einen Freifahrtschein auszustellen.

Nichtsdestotrotz ist Das glückliche Geheimnis (ja, damit meint er die Altpapiertouren) ein gutes Buch und (nicht nur für Geiger-Fans) absolut empfehlenswert.