Anfangs gelungen, später etwas zäh

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Inhalt
Ruth Young ist dreißig und feiert das erste Mal seit Jahren Weihnachten wieder bei den Eltern. Sie hat eine schwere Trennung hinter sich und hofft, die Eltern könnten sie ein wenig auffangen. Doch Ruths Vater, ein Universitätsprofessor, leidet zunehmend unter Demenz und ihre Mutter bittet sie, für ein Jahr wieder nach Hause zu ziehen und sich um ihn zu kümmern. Die junge Frau, die ein wenig im Leben festhängt, lässt sich darauf ein. Dabei kommt sie einigen unschönen Familiengeheimnissen auf die Spur und muss sich fragen, ob Erinnerung und Realität manchmal zweischneidige Schwerter sind.

Meinung
Das Cover wurde aus dem Original übernommen und hängt auch mit diesem Titel "Goodbye, Vitamin" zusammen; vielleicht wären aber lauter Steaks dann doch zu irreführend geworden.
Rachel Khong erzählt die Geschichte in Tagebuchform, in der Ruth selbst berichtet. Was besonders am Anfang dadurch sehr intensiv gelang und emotional fesselte, faserte leider mit Fortschreiten der Seiten immer mehr auf. Leider dreht sich alles auch sehr stark nur um Ruth und ihr Gefühlsleben, insbesondere ihren Ex Joel. Zunächst sehr verständlich, wirkt die Bezugnahme auf ihn leider schnell aufdringlich und nach vielen Monaten wird der Leser es auch überdrüssig. Der Roman weckte zudem die Erwartung, dass es neben Ruth auch sehr familiär zugehen würde, was sich leider nur bedingt als wahr heraussstellte. Zwar ist ihr Vater allgegenwärtig, aber zu und mit ihm wird vergleichweise wenig gesagt. Auch hier stimmt anfangs alles; die Beschreibung, wie verzweifelt die Mutter auf die Diagnose reagiert und schließlich alle Töpfe aus Aluminium entsorgt, nicht mehr kocht und immer dem neuen Alzheimer-Trend hinterherjagt. Schließlich auch das Aufdecken Ruths, dass ihr Vater doch nicht der Heilige war, den sie immer in ihm vermutet hat. Der Mann mit den vielen Affären, der dennoch alles aufschrieb, was er mit seiner damals kleinen Tochter erlebt hat, so wie Ruth nun andersherum. Die Erinnerungen Linus', ihres Bruder, der fünf Jähre jünger, ein völlig anderes Familienleben mit auf den steinigen Weg bekommen hat. Schließlich werden die Worte im Tagbuch immer weniger, die Sätze kürzer und eher bruchstückhaft. Das ist sicher beabsichtigt, allein ich bin nicht dahintergekommen weshalb. Kurz vor Ende dann ein Aufflackern des Alten und dann alles offen. Was genau geschieht nach dem Jahr? Was hat Ruth gelernt, was wird sie an sich, ihrem Leben verändern? Leider sieht es ja so aus, als würde sie alle Fehler noch einmal wiederholen.
Ich sehe, was die Autorin versucht hat, bin jedoch der Meinung, dass ihr das leider nicht gelungen ist. Die Grundaussage ist da, es gelingt nur leider nicht, sie auch genau zu benennen. Den Anfang habe ich sehr gern gelesen, war jedoch erleichtert, als ich das kleine handliche Buch durch hatte. Von Rachel Khong würde ich jedoch jederzeit wieder etwas lesen.