Kaputt in Juarez

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zoe2018 Avatar

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„Das Kartell“ ist die Geschichte zweier Männer, einst Freunde, jetzt Todfeinde: Arthur Keller ist US-Drogenfahnder, Adán Barrera ein mexikanischer Drogenbaron. Sie beginnt im Jahr 2004 genau dort, wo „Tage der Toten“ aufgehört hatte - Adán sitzt im Knast, Art Keller lebt als Bienenvater in einem Kloster in New Mexico - und endet, nach dem blutigen Einsatz eines US-Tötungskommandos in Guatemala im Jahr 2012, zwei Jahre später in Juarez.

Was dazwischen geschah, von der Eskalation des „War on Drugs“, Terror und Tod, das erzählt Don Winslow in seinem neuen hochspannenden Roman. Zitat: „Al-Qaida hat dreitausend Amerikaner umgebracht. Es mag herzlos klingen, aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was wir (die USA) an Drogenopfern haben, Jahr für Jahr.“ Dabei geht es um die Hintergründe der Drogenkriege in Mexiko und den Zweikampf der beiden Protagonisten.

Adán Barrera soll vom Bundesgefängnis in San Diego, Kalifornien, nach Mexiko verlegt werden. Um an der Beerdigung seiner Tochter teilnehmen zu können, wurde er zum Verräter. Den Rest seiner Strafe will er nun in seiner Heimat absitzen. Im CEFERESO II, einem Luxus-Gefängnis, wird er von einem Cousin freudig begrüßt.

Minutiös schildert der Autor den brutalen Krieg der Kartelle untereinander, um Macht, Moral und Mord. Denn der Drogenhandel zwischen Mexiko und den USA ist ein Milliardengeschäft. Zum besseren Verständnis sind dem Buch eine Landkarte mit den Schauplätzen des Romans sowie eine Aufstellung der vier wichtigsten Player beigefügt: Das Juarez-Kartell, das Golf-Kartell, das Tijuana-Kartell und das Sinaloa-Kartell.

Nach seinem spektakulären Ausbruch aus dem Gefängnis will Adán Barrera, dem Teile des Sinaloa und des Tijuana-Kartells gehören, zurück auf den Thron. Zunächst zettelt er daher einen Krieg mit dem Golf-Kartell an. Aber das Golf-Kartell rüstet auf und stellt eine eigene Privatarmee zusammen, die sogenannten Zetas. Zitat: „Vielleicht weil ihr brutale Schlächter seid, Soziopathen und Sadisten. Vielleicht weil ihr alles foltert und tötet, was euch in die Hände fällt. Vielleicht weil ihr mein ungeborenes Kind ermordet habt.“

In einer Nebenhandlung geht es aber auch um das traurige Schicksal des zwölfjährigen Chuy, der durch einen dummen Zufall zum psychopathischen Killer wird und seinen Opfern, quasi als Markenzeichen, die Köpfe abschneidet.

Last but not least geht es um ein tödliches Netz aus Gewalt und Korruption, in das auch der Journalist Pablo Mora verstrickt zu sein scheint. Zitat: „Dies ist kein Krieg gegen die Drogen. Dies ist ein Krieg gegen die Armen und die Ohnmächtigen, Unhörbaren und Unsichtbaren, die ihr von der Straße fegen wollt wie den Dreck, der euch um die Beine weht und eure Stiefel beschmutzt.“

Und so wundert es nicht, dass Don Winslow seinen Roman all jenen Journalisten gewidmet hat, die in den vergangenen zehn Jahren in Mexiko getötet wurden oder „verschwanden“: eine lange, zwei Seiten umfassende Auflistung von Namen.

Wer ist gut, wer ist böse? Don Winslow lässt die Grenzen verschwimmen. Und so hat der Leser Verständnis für Killer Chuy, den korrupten Journalisten oder auch Art Keller, der das Töten zur Notwendigkeit macht, in seinem Streben nach Rache und Gerechtigkeit.

Ein äußerst erschreckendes, doch realistisches Szenario, das der Autor sich ausgedacht hat und er ist wütend auf die Regierungen, die Geheimdienste, die Armeen, die Polizei und die Politiker. Das große Geschäft mit der Sucht, der Krieg gegen die Drogen, der jeden von ihnen reich macht, sowohl in Mexiko als auch in den USA - und sogar in Europa.

Eine gelungene Mischung aus Fiktion und Fakten. Bestens recherchiert, sprachlich exzellent, packend und gekonnt in Szene gesetzt. Insgesamt ein Buch mit Herzblut, das lange nachhallt.

Fazit: Hart, brutal, real. Ein Jahrhundertwerk!