Tod und Terror

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salander Avatar

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6 Jahre hat sich Don Winslow Zeit genommen und für seine Fortsetzung von 'Tage der Toten' akribisch recherchiert und rausgekommen ist eine wuchtige Fortsetzung seines Meisterwerkes.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2004, Art Keller, US-Drogenfahnder und der Held aus 'Tage der Toten' hat sich in ein Kloster zurückgezogen. Als sein Todfeind, der von ihm ins Gefängnis gebrachte mexikanische Drogenbaron Adán Barrera, einst sein bester Freund allerdings ausbricht und eine Belohnung auf seinen Kopf aussetzt, ist es mit der Ruhe vorbei.
Der Autor schildert den gnadenlosen Kampf der Drogenkartelle über einen Zeitraum von 10 Jahren in seiner bekannten schnörkellosen Art. Hier ist kein Wort zu viel, alles wird genau auf den Punkt gebracht.

Zitat:

"Al-Qaida hat dreitausend Amerikaner umgebracht. Es mag herzlos klingen, aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was wir (die USA) an Drogenopfern haben, Jahr für Jahr."

Durch häufige Perspektivwechsel und eine bildhafte Sprache entwickelt der Roman von Anfang an einen Sog, der einen nicht mehr loslässt. Im Präsens geschrieben fühlt man sich als Leser mitten im Geschehen.

Winslow zeigt auf, mit welcher Macht die unterschiedlichen Drogenkartelle agieren, wie sie staatliche Strukturen durch Korruption unterwandern. Besonders schockierend wird hier beschrieben, wie Tausende Menschen auf brutalste Weise getötet oder vertrieben werden und wie wehrlos der mexikanische Staat dagegen ist. Es lässt einen fassungslos zurück, dass der Kampf gegen die Drogen praktisch nicht zu gewinnen ist und dass das auch gar nicht gewünscht wird, weil zu viele davon profitieren. Der Drogenhandel zwischen den USA und Mexiko ist ein Milliardengeschäft.

Man fragt sich während des Lesens mit einem Kloß im Hals, wie weit das alles der Realität entspricht und viele Szenen, ob ihrer Brutalität sind mir noch lange in Erinnerung geblieben.

Beispiel Seite 244:

"Chuy drückt ab. Knipst dem Mann das Lebenslicht aus. Es fühlt sich gut an. Chuy Jesús Barajos ist gerade zwölf geworden."

Der komplexe Roman verlangt einem, nicht nur wegen der Grausamkeiten alles ab. Die Charakterisierungen der zahlreichen Figuren ist Winslow sehr gut gelungen und man fiebert und bangt mit ihnen mit. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse und die einzelnen Protagonisten wirken dadurch sehr authentisch und menschlich, da man teilweise sogar Verständnis für die Beweggründe entwickelt, nicht nur für den korrupten Journalisten.

Winslow widmet seinen Roman den ermordeten oder 'verschwundenen' Journalisten, gleich am Anfang des Buches in einer 2seitigen Aufzählung von Namen. Und nicht nur hierbei spürt man seine Wut und das Herzblut, mit dem er die Hintergründe beleuchtet und den Leser schonungslos teilhaben lässt am 'War on Drugs.'

Zitat:

"Dies ist kein Krieg gegen die Drogen. Dies ist ein Krieg gegen die Armen und die Ohnmächtigen, Unhörbaren und Unsichtbaren, die ihr von der Straße fegen wollt wie den Dreck, der euch um die Beine weht und eure Stiefel beschmutzt."


Am Ende des Romans findet sich zur Orientierung eine Landkarte von Mexiko, auf der die 4 wichtigen Drogenkartelle eingezeichnet und beschrieben sind: Das Tijuana-Kartell, das Juárez-Kartell, das Sinaloa-Kartell und das Golf-Kartell.

Mein Fazit: Don Winslow ist mit seinem Epos ein sprachlich exzellenter, packender Thriller gelungen, der über 800 Seiten den Spannungsbogen hochhält.

Chapeau Mr. Winslow