Vaterliebe

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Der Italiener Marco Missiroli hat mit seinem Roman „Das Lächeln des Elefanten“ ein eindrucksvolles Buch hingelegt, welches mich, nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte, für eine kleine Weile einsam und traurig in meinem Alltag inne halten ließ. Missirolis Sprache ist dabei so einfach, leicht und voller kleiner Hüpfer, obwohl sein Text von viel Leid, Schmerz und Einsamkeit berichtet.
Pietro lebt seit Jahrzehnten in Rimini, früher war er einmal Priester gewesen. Heute bewirbt er sich auf einen Posten als Pförtner in einem Wohnhaus in Mailand und wird vom Hausverwalter Avvocato Poppi eingestellt. Die Bewohner des Mailänder Hauses sind alle etwas verschroben und sonderlich, aber sie sind auch herzlich und nehmen Pietro schnell in ihre Gemeinschaft auf. Der aber hat vor allem Augen für Familie Martini, Dottore Luca Martini ist sein Sohn – so steht es in einem Brief geschrieben, der ihn kürzlich erreichte. Luca weiß nichts von dieser Verbindung, Pietro ist für ihn der neue Hausmeister und doch lässt er diesen älteren ruhigen Herrn Stück für Stück an seinem Leben teilhaben. Für Pietro ist schnell klar, dass der unbekannte Sohn seine Hilfe braucht und er will ihm in allem beistehen bis zum bitteren Ende.
Missiroli legt sein Hauptaugenmerk auf die Figur des Pietro, der Erzähler berichtet fast durchgängig aus Pietros Perspektive und springt dabei zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Die Vergangenheit ist ein fest umrissener Zeitpunkt, ein ganz bestimmter Sommer vor fünfunddreißig Jahren. Dieser Sommer veränderte Pietros Lebensinhalt, er verstaute sein Priestergewand schließlich in eine Pappschachtel und kehrte seinem Amt den Rücken zu. Die Aura des Priesters aber lässt sich auch in der Gegenwart nicht verleugnen, das mag daran liegen, das Pietro ein guter Beobachter ist und schnell erkennt, woran es den Menschen wirklich mangelt.
Der ehemalige Priester ist einsam, lebt karg und verliert nicht viele Worte. Dafür reden die anderen Bewohner des Hauses umso mehr. Avvocato Poppi ist ebenso einsam wie Pietro und ein ebenso guter Beobachter, er versucht die Einsamkeit mit vielen Worten davon zu schieben. Fernando will der ungesunden Beziehung zu seiner Mutter Paola entkommen, in dem er sein Herz an die Kellnerin der Bar im Nachbarhaus hängt. Doch Fernando ist nur äußerlich erwachsen, sein Geist verpasste den Anschluss an den Körper und so können die Frauen nicht viel mit ihm anfangen und ihm bleibt nur die einsame Mutter, die nur noch ihn im Leben hat.
Missiroli zeichnet ein Bild unserer Zeit, welches sich zugleich weit weg und doch gefährlich nah anfühlt. Die einsamen Hausbewohner sehnen sich nach einer Familie, während die einzige Familie des Hauses auf Lügen aufgebaut ist und auseinander zu brechen droht. Der Dottore nimmt zudem seinen Beruf sehr ernst und verhilft Patienten zu ihrem letzten Weg, obwohl es ihn selbst viel, vielleicht zuviel Kraft kostet. Seine Frau und seine Tochter geben ihn nach dem Tod der Mutter den einzigen Halt im Leben, wie soll er ohne diesen Halt leben? Das erkennt auch Pietro und trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Was bleibt, frage ich mich nach der Lektüre. Durch „Das Lächeln des Elefanten“ fühle ich mich angeregt, das eigene Leben zu überdenken. Welche Dinge sind mir wirklich wichtig, wohin will ich gehen, bei wem will ich bleiben? Und bin ich tatsächlich vor solchen Entscheidungen gefeit, wie sie Pietro schließlich für sich und seinen Sohn trifft?