Der Pessimist kann mich mal

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elke seifried Avatar

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Ich war nie Fan der Show „Ritas Welt“, habe „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ weder gelesen, was ich aber nachholen werde, das Buch liegt schon hier, noch als Kinofilm gesehen, habe aber zum Glück trotzdem zugegriffen. Der Lebensmut, die gute Laune dieser Frau sprudelt geradezu aus den Seiten und mit dem flotten, pointierten Schreibstil von Ghostwriter Till Hoheneder bekommt man hier allerbeste Unterhaltung geboten.

Los geht es damit, dass man sich als Leser mit Gaby Köster und ihrem Sohn erst einmal der erschreckend realen Verfilmung ihrer Geschichte und Verkörperung durch Schauspielerin Anna Schudt stellen muss und dann gilt es schweren Herzens, aber mit guten Wünschen, Sohn Donald für eine Weile nach Südamerika zu verabschieden. Bis dieser gegen Ende des Buches wieder heimatliches Gefilde betritt, bleibt viel Zeit, in der einem Frau Köster tiefe Einblicke in ihr Leben seit dem ersten Buch gewährt. Man darf mit ihr nach New York reisen, um die Auszeichnung für den Film, bzw. die Hauptdarstellerin abzuholen. Warum eine Finca auf Ibiza, hat die das noch nötig „krank“ auf der Bühne zu stehen? Man erfährt, warum sie eben muss, wie sie daraus Kraft schöpft und neuen Lebensmut tankt. Ebenso ist Aufregen über Antieinstellungen, Deutschtümelei, Rechtspopulisten, rücksichtslose Menschen im Alltag und, wobei sie mir am meisten aus der Seele gesprochen hat, über die Eltern, die ihren Kindern endlich wieder mehr Werte vermitteln sollten, angesagt. „Wie soll man sich zusammenreißen? Wie ein Blatt Papier? Ein Mensch mit seinen Gefühlen ist doch kein Verpackungsmüll, den man in den Mülleimer schreddert, das ist doch Tinnef.“ Offen bekommt man auch einiges von Tagen im Loch, ihren Tipps, diesen so schnell wie möglich wieder zu entfliehen, und auch von eher missratenen Versuchen sich der Männerwelt zu nähern und vielleicht doch noch die große Liebe zu ergattern, erzählt. Kraft aus Begegnungen tanken, sich unter die Menschen mischen, den Hintern hochbekommen, einige Kapitel widmen sich auch Hemmungen, Ängsten, die es zu überwinden gilt, aber auch warum es sich so lohnt, wie z.B. ihre regelmäßigen Treffen beim Künstlerfrühstück. Besonders bewegt haben mich die Abschnitte, die von der großen gegenseitigen Liebe zu ihren Hunden, erzählen. Gut haben mir auch die zwischen die Kapitel geschobenen Zitate, bei denen u.a. Freunde, Verwandte, ihre Maskenbildnerin oder auch bekannte Größen wie Atze Schröder, Mike Krüger und auch Anna Schudt, die Gaby im Film ein Schnupfen hätte auch gereicht gespielt hat, sich dazu äußern, was sie an Gaby bewundern und toll finden. Ihr Lebensmut, ihre große Empathie ist bei einem jeden zu lesen, was mich nicht wundert, denn diese wirkt auch im Buch an jeder Stelle echt. Besonders berührt hat mich die Liebeserklärung, die ihr Sohn Donald für sie parat hat.

Der Sprachstil des Ghostwriters Till Hoheneder, oder auch von Gaby Köster selbst, ich weiß es nicht genau, liest sich locker, flüssig und die Seiten fliegen eigentlich viel zu schnell dahin. Gut hat mir gefallen, dass Gaby aus der Ich-Perspektive erzählt und auch ab und an mit ihrem kölschen Mundwerk zu Wort kommt. „… und ich, seine Mutter, war totkrank dem Düvel von dr Schöpp gesprunge. Allerdings mit dauerhaftem Dachschaden.“, „Jetzt denkt der eine oder andere sicher: Die Köster hat doch einen an der Schüssel! Dat ist rischtisch leeve Fründe! Ändert aber nix an der Tatsache,…“. Man ist ihr und ihren Gefühlen, die sie so offen und miterlebbar beschreibt, so unheimlich nah und kann ganz viel mit ihr über sie selbst lachen. „Herrschaften hörens“, beim Lesen wird man zudem immer wieder direkt von ihr angesprochen, was das Gefühl vermittelt eine gute Bekannte oder Freundin würde sich mit einem unterhalten. Da sie trotz ihrem Erfolg so herrlich auf dem Boden geblieben ist, so eine herzliche Art hat und mit ihrer guten Laune und dem vielen Lebensmut so ansteckend wirkt, kann man sie sich als das auch mehr als gut vorstellen.

„Stillstand und Routine sind zwar pflegeleichte Begleiter im Alltag, aber machen wir uns nix vor: Das Verwalten von Altbekanntem ist dem Neuen abträglich. Gerade wir Menschen mit Handicap sollten uns viel öfter mal gepflegt in den Allwertesten treten.“ Ich habe keinen Schlaganfall erlitten, bin eigentlich auch ein recht zufriedener Mensch, aber ich konnte trotzdem ganz viele Botschaften für mich und mein Leben mitnehmen. „Dinge passieren nicht einfach so, wenn man gelangweilt versucht, sich im Sessel den schwieligen Hornhaut-Krokant von den Ar…backen zu sitzen. Dinge kommen und geschehen, weil man aktiv etwas anstößt und mit offenem Geist durchs Leben geht. So schwer das manchmal auch fällt.“, ist nur ein Beispiel dafür. Fest habe ich mir vorgenommen, meinen Hintern wieder öfters vom Sofa zu bekommen und mich mit Freunden zu treffen. Dass ich mich an kleinen Dingen so wie Gaby Köster auch am meisten erfreuen kann, habe ich mir zum Glück sowieso bewahren können. „Geduld war nicht von meiner Mutter als Sonderausstattung angekreuzt wurden.“, klasse Spruch, den ich mir auf jeden Fall merken muss, da dies auch bei mir gilt. Hier nutzt mir vielleicht in Zukunft der eine oder andere ihrer Gedanken dazu, warum das Gras auch nicht schneller wächst, wenn man daran zieht und das Leben einfach zu kurz ist, für lange Gesichter.

Das Buch macht Mut, verpasst einem einen Tritt in den Hintern und das ist gut so. Unter die Menschen gehen, und ebensolche „Momente im Leben, die mir klarmachen, woher ich meinen Lebenswillen und meinen Optimismus nehme: aus dem Leben selbst. Die Neugier auf das was noch unbekannt vor mir liegt. Ich will wissen, ob da noch mehr drin ist. Auch wenn man immer wieder die Grütze aus dieser gemischten Tüte namens Leben fischt.“, erleben, das ist was sich die Autorin mit ihrer Geschichte für den Leser wünscht. Für mich ein fünf Sterne Buch.