Scrabble bis zum bitteren Ende

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allegra Avatar

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Der Inhalt in meinen Worten  

Das Buch erzählt die Geschichte zweier Familien in zwei verschiedenen Erzählsträngen und aus 3 verschiedenen zeitlichen Ebenen. Die Hauptfiguren sind Ada Varick, Jane Weld sowie deren Tochter Marne. Ada war die Geliebte von Janes Vater Luce. Ada und Jane treffen sich seit vielen Jahren jeden Freitag zu einem Scrabble Spiel. Dieses Spiel bildet auch das Gerüst, entlang dessen Dawn C. Tripp den Roman aufgebaut hat. 

Die aus Janes Perspektive erzählte Handlung spielt 1957, 1962 und in der Gegenwart, im Jahr 1984. Marne erzählt als Ich-Erzähler von den Entwicklungen 1984 kurz nach dem sie nach einem längeren Aufenthalt in Kalifornien und L.A. in ihr Elternhaus zurückkehrt, weil ihr Bruder besorgt war über den Zustand ihrer Mutter und sie angerufen hat. Was genau Janes gesundheitliches Problem ist, wird nie genau angesprochen. Man kann es aber aufgrund Marnes Schilderungen vermuten.

Im Jahr 1957 verschwindet Luce, Janes Vater spurlos. Er hat zu dem Zeitpunkt ein Verhältnis mit Ada Varick und da deren Mann Silas zu Gewaltausbrüchen neigt, vermutet man, dass dieser Luce aus Eifersucht umgebracht hat. Als ein paar Jahre später in einer Kiesgrube ein Schädel mit Einschusslöchern auftaucht, nimmt man an, dass es sich um die sterblichen Überreste von Luce handelt. Aufgeklärt wird das Verbrechen allerdings nie.

Janes Familie ist über die Affäre des Vaters mit der Nachbarin informiert. Trotzdem folgt Jane einer Einladung Adas sich mit mehreren Frauen regelmäßig zu einem Spiel zu treffen. Als sich bei den Damen mit der Zeit körperliche Gebrechen einstellen, beginnen sie Scrabble zu spielen. Am Ende bleiben nur noch Ada und Jane übrig, die sich Woche für Woche zu einer Partie treffen. An dem betreffenden Freitag, von dem das Buch handelt, spürt Jane, dass es wohl das letzte Spiel sein wird und es kommen sehr viele, lange verdrängte Geschichten der beiden Familien ans Tageslicht.

Meine persönliche Meinung

In diesem Buch spiegelt das Scrabblespiel zwischen Jane und Ada die Lebensgeschichten ihrer beiden Familien, die eng miteinander verknüpft sind. Bei den sehr ausführlich beschriebenen Scrabble-Szenen geht es um die Begriffe, die gelegt werden, aber auch um die Lücken zwischen den Buchstaben, die zu weiteren Wörtern ergänzt werden können. Entsprechend geht es beim langen Gespräch zwischen den beiden Frauen sowohl um Dinge die gesagt werden, als auch um Dinge, die verschwiegen werden.

Das Buch beinhaltet einerseits sehr viel Poesie. Eine Metapher folgt der nächsten auf dem Fuß. Licht in allen möglichen Erscheinungsformen stellt ein Leitmotiv dar. Ein anderes Objekt, das den Leser von Anfang bis zum Ende begleitet, ist ein Boot. Weiße Lilien werden immer wieder erwähnt, die vermutlich auch ihre Bedeutung haben. Daneben noch einiges, wo ich das Gefühl hatte, das wird noch wichtig werden. Aber manches hat für mich dann doch keinen Sinn mehr gemacht, entweder weil diese Dinge einfach isoliert da stehen oder weil mir einiges entgangen ist. Ich bin sicher, dass dieses Buch Literaturliebhabern sehr viel Stoff bietet für Analysen und Interpretationen. Da ich kein geisteswissenschaftliches Studium genossen habe, fehlt mir vermutlich die Fähigkeit, die wahren Qualitäten des Buches zu schätzen. Dennoch habe ich mich sehr bemüht, den Inhalt zu erschließen. Aber ich bin nicht wirklich zufrieden mit dem Gefühl das zurückbleibt.

Aufgrund der Ankündigung als „Liebesthriller“ hegte ich gewisse Erwartungen, die leider nicht erfüllt wurden. Ich habe kaum Spannung empfunden und die Antworten auf viele Fragen blieben nur vage angedeutet.

Zwischen Marne und Adas Sohn Ray entwickelt sich eine sehr fragile Liebesbeziehung und die Mutter-Tochter Beziehung zwischen Jane und Marne durchläuft eine interessante Entwicklung. Diese Erzählstränge sind relativ unterhaltsam und flüssig zu lesen, wenn auch nicht wirklich spannend. Den größten Raum im Buch nimmt der Verlauf des Scrabblespiels ein, was mich etwas ermüdet hat. Ich versuchte die gelegten Begriffe auf meinem Spiel nachzulegen: Entweder, die Beschreibung des Spiels ist trotz Ausführlichkeit nicht eindeutig genug oder es geht gar nicht so, wie es beschrieben ist.

Da das Scrabble so zentral ist im Buch, hätte ich mir mehr von den Bedeutungen der gelegten Begriffe versprochen. Ich konnte oft keinen Zusammenhang mit der erzählten Handlung erkennen. Ich weiß jetzt aber nicht, ob das nur eine Folge der Übersetzung ist. Es ist ja nicht ganz einfach, die Begriffe aus dem Englischen so zu übersetzen, dass sowohl die Bedeutung als auch die Einordnung ins Scrabble-Netz stimmen. Mit dem Original konnte ich bisher nicht vergleichen.

Etwas Probleme haben mir die zeitliche Einordnung der Handlung bzw. deren Erzählungen bereitet. Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich mir der drei Erzählzeiten bewusst wurde. Das ist aber auch gleichzeitig wiederum ein Sachverhalt, der am Ende zumindest eine gewisse überraschende Wende liefert.

Mein Fazit

Das Buch wird in der deutschen Übersetzung als Liebesthriller beworben. Diese Einordnung trifft das Wesen dieses Romans meiner Meinung nach nicht. Von einem Thriller erwarte ich Spannung, die habe ich hier eindeutig vermisst. Ich denke, dass das Buch einiges an literarischem Wert bereit hält, bin mir aber nicht sicher, ob es lohnt, allzu viel Zeit in die Auseinandersetzung zu investieren, weil ich vermute, dass durch die Übersetzung einiges verloren gegangen ist. Das soll jetzt keine Kritik an der Übersetzerin sein, sie hat dem Buch eine wunderschöne Sprache verliehen. Aber ich glaube einfach, dass die Bedeutungen der _Scrabble-_Begriffe nur im Original den Inhalt widerspiegeln. Und dieser Effekt stellt vermutlich die Kernessenz des Buches dar. Deshalb empfehle ich es, im Original zu lesen.  

Von mir bekommt dieses Buch nur 2 Sterne für die wirklich schöne sprachliche Ausdrucksweise. Eine allgemeine Leseempfehlung kann ich nicht aussprechen.