Verletzlich wie ein sich häutender Hummer

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gerwine ogbuagu Avatar

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Ein bestechend ehrliches Psychogramm einer dreizehnjährigen legt Elena Ferrante in ihrem neuen Roman vor. So ehrlich und ungeschminkt, dass wir uns unschwer wiedererkennen so wie wir waren in Zeiten der Entwicklung, Pubertät genannt. Sie ist für jeden Jugendlichen, egal ob Mädchen oder Junge eine schreckliche Zeit. Vor längerer Zeit las ich diesen wunderbaren Vergleich, der es auf den Punkt bringt, was die Pubertät ist: eine Zeit der Häutung, so wie es ein Hummer erfährt, der sich häutet und eine Zeit lang völlig ungeschützt leben muss, überaus verletzlich, puddingweich und hilflos.
Die kritischen, stundenlangen Blicke in den Spiegel, wo alles auseinandergenommen wird, was zum Körper gehört. Die Probleme in der Schule: von einer guten Schülerin plötzliches Absacken der Noten. „Ich lerne doch, manches kann ich mir merken und manches nicht!“ „Dann lerne so lange, bis du dir alles merken kannst!“ ist die elterliche Mahnung. Es hilft aber nicht, alles Lernen verhindert nicht die Gefährdung in manchen Fächern. Es ist eine Zeit der Qual, die jahrelang durchlebt werden muss, nichts scheint zu helfen. Familienkonflikte werden anhand alter Fotos wie durch eine Lupe betrachtet, um Licht in Fragen zu finden, die niemand beantworten kann und will.
Alleingelassen in einer Welt des Unverständnis, des lustlosen Erwachens morgens und lustloses Einschlafen abends. Elena Ferrante bringt uns sehr nahe zurück in diese Welt, die wir alle auf unsere Weise durchleben mussten – ob wir es geschafft haben, muss dahingestellt bleiben.