Auf dem Weg zur Frau

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mrsamy Avatar

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Giovanna ist kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau. Ihr Körper, ihr Charakter ändern sich – sie wird erwachsen. Und hässlich – das zumindest meint ihr Vater, der eines Tages einfach sagt, sie würde ihrer Tante Vittoria immer ähnlicher. Vittoria aber ist nicht nur ihre Tante, sondern in ihrer Familie auch das personifizierte schlechte, hässliche und abgrundtiefe. Giovanna versteht die Welt nicht mehr, wollte doch von ihren Eltern immer nur geschätzt und geliebt sein. Jetzt aber verändert sich ihre Sicht auf die Dinge und sie entschließt ihre Tante kennenzulernen.

Die Pubertät, der Abschied von der Kindheit und der Eintritt ins Erwachsenenleben stehen im Mittelpunkt von Ferrantes Roman „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“. Giovanna ist ein junges Mädchen, dass sich bald schon – in Bezug auf ihre Familie – in eine Rebellin verwandelt, die die Lüge für sich entdeckt und keinem mehr gefallen möchte. Ihre Welt gerät immer mehr ins Wanken – gut behütet aufgewachsen, dringt sie in das untere Neapel vor, in dem ihre Tante nahezu gemeinsam mit der Witwe und den drei Kindern ihres Liebhabers lebt. Hier gelten scheinbar andere Regeln, der Dialekt beherrscht die Sprache, der Umgang ist rau, aber doch zumeist herzlich. Doch Giovanna muss erkennen, dass auch in ihrem Elternhaus nichts so ist, wie es scheint und so liegt ihre Welt bald in Trümmern.

Ferrante ist für mich eine großartige Schriftstellerin, ich habe ihre neapolitanische Saga gelesen ebenso wie den Roman „Frau im Dunkeln“. Zu „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ konnte ich leider keinen rechten Zugang finden. Womit ich vor allem meine Probleme hatte, war die Stigmatisierung der Männer als verlogenes, triebgesteuertes Geschlecht. Egal welcher gesellschaftlichen Schicht die männlichen Protagonisten entsprungen sind, egal welche Bildung oder dergleichen sie genossen haben, alle waren fast schon Opfer ihrer Triebe. Nur ein einziger bildete eine Ausnahme, der jedoch, wenn er seine Wut nicht mehr unter Kontrolle hatte, die Fäuste sprechen ließ. Ich finde dieses Bild von Männern ein wenig eindimensional. Die Frauen schienen mir deutlich vielschichtiger zu sein. Im Mittelpunkt steht oft auch die Familie, die den Menschen Kraft gibt und zugleich raubt, die unterstützt, aber auch die Luft zum Atmen nimmt und eigene Entscheidungen mitunter unmöglich erscheinen lässt. Wie ein rotes Band, zieht sich ein Armband durch die Geschichte hindurch, das symbolisch die Liebe und vor allem auch die Lüge und den Egoismus in sich vereint. Ich denke, am Ende ist es vor allem eine Geschichte die zeigt, dass alles was wir tun, von unserer Vergangenheit beeinflusst ist und wir – wenn wir nur mutig genug sind – unseren eigenen Weg gehen können und sollten.