Die allgemeine Heuchelei

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annbee Avatar

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Wie habe ich Ferrands Neapolitanische Saga um die zwei Freundinnen Lila und Lenu geliebt! Hier sind wir nun wieder in Neapel und begleiten ein Mädchen durch die Pubertät. Giovanna wächst, wie man so sagt, in geordneten Verhältnissen auf; behütetes Einzelkind einer wohlhabenden Familie. Mit 13 hört sie mit an, wie ihr Vater sie mit dessen Schwester Vittoria vergleicht - Vittoria, die als hässlich und unmoralisch gilt, mit der die Familie keinen Kontakt hat und die im Armenviertel Neapels lebt, laut und ordinär und gar nicht bürgerlich ist. Giovanni nimmt Kontakt zu ihr auf und erkennt dadurch immer klarer die Lügen und Heuchelei der Erwachsenen. Während sie sich voller Selbstzweifel durch die Pubertät kämpft, beginnt sie ihr (Familien-)leben immer mehr zu hinterfragen.
Ferrante ist es hier wieder gelungen, ein eindrückliches Bild ihrer Charaktere zu zeichnen, schonungslos, genau, mit grosser Beobachtungsgabe. Einiges kommt einem aus früheren Büchern der Autorin schon bekannt vor und an die Neapolitanische Saga reicht das Buch nicht heran - dennoch eine Leseempfehlung für einen gelungen, scharfsinnigen Roman.