Eindringliche Geschichte über das Erwachsenwerden

In ihrem neuen Roman „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ lässt Elena Ferrante die Ich-Erzählerin Giovanna ihre Entwicklung vom Kind zur jungen Erwachsenen beschreiben. Zu Beginn noch kindlich und naiv, zerfällt sowohl Giovannas innere wie auch ihre äußere Welt, ganz langsam gehen die kindlichen Strukturen in die Brüche und machen Platz für neue und erwachsenere Verhaltensweisen und Gedanken. Schlüsselfigur hierbei ist ihre Tante, die zuerst eine Schreckensfigur ist, da sie mit Giovannas Vater zerstritten ist, die sich aber nach und nach als wertvolle, wenn auch etwas rüpelhafte Lebensratgeberin entpuppt, wobei sich Giovanna am Ende auch von ihr löst und ihren eigenen Weg geht. Giovannas Leiden beginnt schon mit dem ersten Satz im Buch, als ihr Vater sagt, sie sei hässlich. Dies löst bei ihr eine tiefe Krise aus und öffnet ihr die Augen für die Lügen um sie herum. Ihre eigenen Lügen und die der anderen begleiten sie durch die ganze Geschichte hindurch. Erst am Schluss, als sie gesagt bekommt, sie sei schön, beginnt sie, ihre eigene Wahrheit zu leben.

Nachdem ich die Neapolitanische Saga und auch alle anderen Bücher von Elena Ferrante mit Begeisterung gelesen habe, hat mich auch dieses Buch nicht enttäuscht. Die Schreibweise und die Sprache des Buches hatten eine Sogwirkung, der ich mich nur schwer entziehen konnte, so dass ich das Buch regelrecht verschlungen habe. Die Autorin zeigt auch hier wieder ihr großes Einfühlungsvermögen in die menschliche Seele; ihre Beschreibungen schaffen es, dass man sich sehr gut in das Auf und Ab der Gefühle während der Pubertät hineinversetzen kann, man bekommt tiefe Einblicke in die Teenagerseele. Auch der Spannungsfaden bricht bei dieser Geschichte nie ab, wobei Giovannas Tante beziehungsweise das Armband (als roter Faden) immer wieder neue, überraschende Wendungen herbeiführen.

Alles in allem eine wunderbar intensive Geschichte über das Erwachsenwerden im Neapel der 90er Jahre.