Längst nicht so gut wie "Die geniale Freundin"

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thirteentwoseven Avatar

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Von "Der genialen Freundin" war ich restlos begeistert, insbesondere von Band 1 und 2. An dieses "geniale Werk" kommt "Das lügenhafte Leben der Erwachsenen" in meinen Augen leider nicht heran.
Dies heißt aber nicht, dass das Buch schlecht ist. Es ist ein bisschen wie "Die geniale Freundin" im Kurzformat auf die Zeit des Erwachsenwerdens fokussiert.

Im Mittelpunkt steht die 13-jährige Giovanna, die wir ein paar Jahre durch die Pubertät begleiten. Wie in "Die geniale Freundin" spielt die Handlung in Neapel und lebt von ganz viel Lokalkolorit und den heißblütigen, toll beschriebenen Charakteren. Vorne weg Giovanna, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Auch wenn ich mit der Heldin nicht so ganz warm geworden bin und manche Handlungen (insbesondere am Ende des Buches nicht nachvollziehen kann), hat mich ihre Geschichte beeindruckt.

Giovanna erlebt, dass die Welt ihrer behüteten Kindheit zerbricht. Die Pubertät ändert alles, auch den Blickwinkel auf die bisherige Welt. Es gibt kein Schwarz und Weiß mehr und vieles ist nicht wie es scheint. Die vergötterten Eltern werden zu ganz normalen (fehlbaren) Menschen. Sie ist verunsichert und enttäuscht. Doch je älter sie wird, muss sie sich eingestehen, dass auch sie nicht besser ist als die verlogenen Erwachsenen. Dass es Situationen gibt, in denen man anderen weh tut oder weh tun muss, ohne es zu wollen.

Wir erleben sie als unsicheres und verunsichertes Mädchen, als hässlich, wunderschön, dumm, klug und wortgewandt, ehrlich und verlogen. Aus ihr wird eIne temperamentvolle, taffe, manchmal selbstkritische junge Frau, die ihren Weg geht und gute und schlechte Entscheidungen trifft. Ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Mit ihr hat Ferrante wieder einen starken Charakter geschaffen, in einem auf mich etwas anachronistisch wirkenden Italien.
Den Einstieg in den Roman habe ich als etwas lang und unglaubwürdig empfunden. Ein falscher Satz des Vaters und das kindliche Weltbild gerät ins Wanken. Eine hässliche Tante als Schreckgespenst, obwohl der Vater sich entschuldigt? Nach dieser Anfangsphase war ich im Geschehen.

Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten, es ist aber bestimmt nicht das Beste von Ferrante.