Stellenweise sehr schleppend

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lilly_molamola Avatar

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„Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ ist mein erstes Buch von Elena Ferrante, auch wenn ich schon oft ihre Neapolitanische Saga in der Hand hatte. Wirklich angesprochen haben mich die Klappentexte aber leider nie. Das war bei diesem Buch anders: Titel, Cover und Leseprobe haben mich überzeugt.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
Jetzt, nach Beendigung der Lektüre, weiß ich nicht so recht, was ich von dem Roman halten soll. Worum geht`s? Giovanna wächst glücklich und behütet von ihren intellektuellen Mittelschichteltern auf, bis ihrem bibliophilen Vater die unbedachte Bemerkung heraus rutscht, sie werde immer mehr wie Vittoria, seine Schwester, das schwarze Schaf der Familie, mit der er gebrochen hat und seit Jahren kein Wort mehr spricht. Giovanna versucht mehr über diese ominöse Schwester herauszufinden und nimmt Kontakt zu ihr auf. Fortan befindet sich Giovanna in einem permanenten Strudel aus Lügen, Vulgarität, der Entdeckung ihrer selbst und wer sie eigentlich sein möchte, kurzum mitten in der Pubertät. Sie übt sich im Dialekt der neapolitanischen Unterschicht, macht erste Erfahrungen mit Männern, vernachlässigt die Schule, kapselt sich immer mehr von ihren Eltern ab und was sonst noch zu dieser – manchmal äußerst schwierigen – Phase des Lebens dazu gehört.

Stellenweise sehr langatmig
Leider fehlt mir persönlich eine konkrete Handlung. Die Geschehnisse plätschern so vor sich hin, ohne auf einen Höhepunkt zuzusteuern. In einige der Charaktere konnte man sich gut hineinversetzen, so etwa in die Protagonistin selbst oder ihre ein wenig verrückt porträtierte Tante, in andere dafür weniger (wodurch sich die Wandlung Giulianas vollzieht, hat sich mir beispielsweise völlig entzogen. In die Thematik des Lügens an sich kann man sich sehr gut hineinversetzen: Wer kann sich nicht an die Momente seiner Kindheit erinnern, in denen die eigenen Eltern kleine (Not)-Lügen zur Hilfe nahmen, die man nur zu gerne glaubte, nur um irgendwann festzustellen, dass Eltern eigentlich ziemlich oft und viel lügen. Sei es aus Liebe, aus Schutz vor der manchmal harten Realität oder ganz einfach aus Gewohnheit.
Auch dass der Roman im Neapel der 90-Jahre spielen soll, erschließt sich mir nicht: Woran macht die Autorin das fest? Was soll das Charakteristische dieses Neapels sein? Für mich hätte der Roman genauso gut in der Jetzt-Zeit spielen können.
Was den Schreibstil betrifft, so bin ich grundsätzlich ein Fan von langen Schachtelsätzen, stellenweise war das aber sehr mühsam zu lesen und ich musste den einen oder anderen Satz mehrmals lesen, um den Sinn zu erfassen. Hinzu kommt leider auch, dass ich die endlosen Diskussionen über religiöse Themen sehr langatmig fand, für die letzten 100 Seiten braucht man als Leser doch einen recht langen Atem.
Ich fand das Buch leider echt enttäuschend, es hat mich nicht wirklich vom Hocker gerissen. Ich werde der Neapolitanischen Saga aber eine Chance geben, vielleicht kann diese mich ja überzeugen.