Das Mädchen im roten Mantel

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Während eines Dorfmarktes im nebligen Norfolk verschwindet Carmel. Die Achtjährige hatte ihrer Mutter Beth versprochen, sich nur ein paar Auslagen anzusehen und bleibt im Getümmel unauffindbar. Zwei Stunden nach dem Vorfall hat die Polizei eine großangelegte Suchaktion nach dem Mädchen in dem auffälligen roten Mantel gestartet. Doch Carmel bleibt verschwunden.

Die Geschichte rankt sich fortan getrennt um Carmel und ihrer Mutter. Kate Hamer versetzt ihre Leser mit ihrem Debüt gedanklich in eine Situation, die für Mütter kaum auszuhalten ist. Wenn das eigene Kind plötzlich verschwindet, entsteht eine riesige Lücke im Leben der Mutter. Die Autorin versteht es, dieses nicht mit Worten zu beschreibende Gefühl zu transportieren. Beths Emotionen beginnen bei Ärger, über besorgt zu verzweifelt, bis sie schließlich in eine Apathie verfallen. Nachdem die Hoffnung auf ein baldiges Finden der Tochter schwindet, kann man die Mutter durch ihre Ohnmacht und bei ihren Selbstvorwürfen begleiten. Die Situationen und ihr Agieren wirken in jedem Abschnitt authentisch.

Die folgenden Jahre werden hauptsächlich aus Carmels Sicht geschildert. Hamer orientiert sich sprachlich jeweils an die Erzählweisen der Figuren. Man kann die Entwicklung des Kindes zum Teenager mit den Veränderungen im Denken mitverfolgen. Hat Carmel anfangs nur nach ihrer Mutter verlangt und musste auf kindgerechte Weise erklärt bekommen, wieso sie nun bei ihren Entführern bleiben muss, entsteht nach und nach ein kritischer Blick auf ihre Lebensweise. Auch hier ist die Logik beeindruckend verarbeitet.

Der Roman enthält sowohl Elemente von einem Krimi als auch von einem Entwicklungsroman. Lediglich kleine Ungereimtheiten ergaben sich mit dem Streckenverlauf, die ich hier aber nicht verraten möchte, um niemanden die Spannung zu verderben. Eventuell hätte man die Handlung in den letzten Monaten ein wenig komprimieren können. Gewünscht hätte ich mir allerdings, dass auch die Entführer ihre Intension deutlicher hervorgehoben hätten. Der Gesamteindruck ist dennoch solide und lässt das Potential der Autorin für psychologisch ansprechende Geschichten erkennen. Diese hier regt eindeutig dazu an, sich in eine unvorstellbare Situation hineinzudenken und wertfrei die einzelnen Seiten zu betrachten.