Das Mädchen mit dem roten Mantel

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gisel Avatar

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Carmel ist 8 Jahre alt, ihre Mutter lebt seit kurzem mit ihr allein, ihr Vater teilt sein Leben mit einer anderen Frau. Carmel ist ein besonderes Kind, sensibel und reifer als ihrem Alter entsprechend, manchmal abwesend und verträumt. Bei einem Festival verkriecht sie sich unter einem Tisch, ihre Mutter verliert sie aus den Augen. Während Beth verzweifelt nach ihrer Tochter sucht, wird Carmel von einem älteren Mann entführt, der sich als ihr Großvater ausgibt und ihr erzählt, ihre Mutter sei im Krankenhaus und habe ihm aufgetragen, für sie zu sorgen. Carmel hat keine andere Möglichkeit, als mit ihm mitzugehen. Ihre Versuche, ihre Mutter oder ihren Vater anzurufen oder wiederzusehen, werden von Granddad und dessen Frau Dorothy vereitelt. Kurze Zeit später beginnt ihr neues Leben in Granddads Familie, mit Dorothy und deren Zwillingen Silver und Melody, unterwegs auf religiöser Fahrt in einem Camper. Währenddessen sucht Beth verzweifelt weiter, ohne einen Anhaltspunkt, wie sie Carmel je wieder finden könnte, außer dem roten Mantel, den das Mädchen bei ihrem gemeinsamen Ausflug trug.
Kate Hamer fängt in ihrem Buch über das entführte Mädchen Carmel den Albtraum aller Eltern auf, dass ihr Kind entführt wird und sie sich nach einer verzweifelten Suche mit einem völlig neuen Leben arrangieren müssen. Beths Suche nach ihrer Tochter schnürte mir beim Lesen immer wieder die Kehle zu, ich fühlte ihre Verzweiflung mit, denn für nichts im Leben wollte ich eine solche Situation selbst erleben.
Carmel ist jedoch ein starkes Kind, sie überlebt, wo andere vielleicht zerbrechen würden. Bei allem, was sie tut, ruft sie sich immer wieder ihren Namen und ihre Herkunftsfamilie ins Gedächtnis, um sie selbst zu bleiben. Sie geht ihren Weg, und schafft es trotzdem, die Tochter ihrer (angeblich verstorbenen) Mutter zu bleiben.
Das Geschehen wird abwechselnd aus Beths und Carmels Sichtweise erzählt, und so rollt sich nach und nach die ergreifende Geschichte einer perfiden Entführung. Das Geheimnis um das Motiv dazu wird erst nach und nach gelüftet und hat mich erneut ratlos mit der Frage zurückgelassen: Wie kann ein Mensch so skrupellos sein? Noch mehr schüttelt es mich bei dem Gedanken, dass eine solche Entführung tatsächlich möglich wäre… Nicht nachvollziehen konnte ich die spirituelle Seite der Erzählung, auch wenn ich sie als Ausgangspunkt für die Erzählung ganz passend finde.
Das Ende der Geschichte kam für mich überraschend, sowohl die Wendung, die die Geschichte nimmt, wie auch die Kürze, in der eine völlig neue Situation abgehandelt wird. Äußerst unpassend finde ich den deutschen Titel, viel stimmiger ist der Originaltitel, der übersetzt „Das Mädchen mit dem roten Mantel“ bedeutet. Das Coverbild passt für mich nicht mit der Carmel überein, die ich mir nach dieser Geschichte vorgestellt habe, schade. Zudem habe ich mich sehr schwer getan mit dem ungewohnten Bucheinschlag, den ich zwar sehr originell, aber äußerst unpraktisch finde.
Die Geschichte selbst hat mich jedoch sehr berührt, sie steht unter den Zeichen der Liebe und der Hoffnung auch in ausweglosen Situationen, trotz einer sachlichen Schreibweise äußerst emotional und spannend erzählt.