Unter Wasser existieren keine Tränen.

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Midas, ein leidenschaftlicher Fotograf, der jedoch gezwungen ist in einem Blumenladen zu arbeiten, da er mit seinen Bildern auf der Einsiedlerinsel St. Hauda’s Land kein Geld verdienen kann trifft im Wald auf Ida Maclaird, ein sehr selbstbewusstes Mädchen mit hellblonden Haaren und tiefen, grauen Augen. Das Auffälligste an ihr sind ihre riesigen Stiefel. Als Midas einfach ein Foto von ihr macht, werden ihre Füße von der Kamera mysteriöser Weise nicht erfasst; nur ein seltsames Licht erscheint. Ein Licht, das Midas zuvor schon zu Ida hergeführt hat.

Fortan erfährt man mehr über die beiden Hauptpersonen, wie kaputt ihre Familien sind und wie sie beide vor nicht allzu langer Zeit von ihren Partnern verlassen wurden. Eines wird dabei ganz schnell glasklar: Beide, Midas und Ida, sind verdammt einsam. Zudem scheint Ida gesundheitlich angeschlagen zu sein, da sie nicht richtig laufen kann. Oder steckt etwas anderes als eine Krankheit hinter ihrem Hinken? Hat es etwas mit dem zu tun, das Henry Fuwa, ein argwöhnischer Kerl auf der Insel Ida erzählt hat? Nämlich dass er gläserne Körper im Sumpf gesehen hat…

Im Grunde werden hier gleich sechs verschiedene Geschichten erzählt, die aber alle zusammenhängen und miteinander verknüpft sind. Natürlich zum einen die zarte Liebesgeschichte zwischen der „kranken“ Ida und dem schüchternen Midas. Midas kaputtes Elternhaus, allen voran sein inzwischen verstorbener Vater und auch Idas Eltern werden erwähnt. Der Inselexzentriker Henry Fuwa, sowie Idas Onkel Carl und Midas treuer Freund Gustav. Sie alle haben eine eigene Geschichte und wie es auf der kleinen, regnerischen Kanalinsel augenscheinlich üblich ist, ist kaum eine davon von Erfolg gekrönt.

In den Danksagungen am Ende des Buches schreibt der Autor, dass einige Menschen das Buch „instinktiv verstanden“ haben. Ich denke genau das ist der Knackpunkt bei diesem außergewöhnlichen Roman. Man bekommt die Auflösung am Ende nicht auf einem Silbertablett serviert, es fügt sich am Ende eben nicht alles zusammen, es geschehen keine Wunder. Das Mädchen mit den gläsernen Füßen ist ein Buch zum Nachdenken und vor allem zum Mitdenken. Als Leser sollte man nicht zwanghaft versuchen, hinter allem, was Ali Shaw sich da ausgedacht hat, eine erklärbare Logik zu erkennen, sondern viel mehr versuchen den Sinn, der sich hinter seinen „Metaphern“ verbirgt für sich zu interpretieren. Das Leben ist eben manchmal unfair, manche Dinge lassen sich nicht aufhalten, so sehr man auch dagegen ankämpft.

Manchmal bleibt einem nur noch übrig loszulassen. Am Ende sind es die Erinnerungen, die zählen. Sowohl die guten, als auch die schlechten. Erstere sollte man dabei mit aller Gewalt festhalten, während man die letzteren irgendwo auf seinem Lebensweg abschütteln und möglichst tief begraben sollte, damit sie einem nicht weiter im Licht stehen können.
Das Buch wird sehr ruhig, sehr leise erzählt. Es gibt keine lauten Paukenschläge, keine Actionszenen, keine großen Dramen. Die fiktive Kanalinsel St. Hauda‘s Land, die der Autor gewählt war für mich eben dafür die perfekte Kulisse. An manchen Stellen wurde es vielleicht ein wenig zu leise, doch niemals stumm. Die Story gerät zu keinem Zeitpunkt in Stillstand, wird nie langweilig oder uninteressant.

Die Geschichte macht den Eindruck eines modernen, stellenweise Fantastik umwobenen Märchens, doch im Grunde könnte es dem alltäglichen Leben, der Realität nicht näher sein. Für mich möchte das Buch bzw. der Autor einfach eine klare Botschaft rüberbringen: Egal, wie viel man im Leben ertragen muss, am Ende kommt immer wieder Licht. Und selbst für nur ein paar glückliche Momente lohnt sich ein ganzes Leben lang.