Vatersuche in Rumänien

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johannaberger Avatar

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Eine junge Frau aus Deutschland fährt nach Rumänien. Sie muss das Vermächtnis des verstorbenen Vaters erfüllen und ein Pfauengemälde abholen. Nach jahrelangen Prozessen hat die rumänische Großfamilie es geschafft, das Gut zurückzubekommen, das während der kommunistischen Herrschaft enteignet worden ist. Auch das Pfauengemälde, ein Familienerbstück, soll abholbereit sein.

Die Protagonistin Ana hat mit dem Tod des so sehr geliebten Vaters schwer zu kämpfen. Ihre Haut ist dünn, die Erinnerungen dringen tief in sie ein, machen ihr körperliche Beschwerden. Ihre Hoffnung ist es, mit der Heimholung des Gemäldes zu erreichen, was Kampfsport, Familienaufstellung und Therapie nicht vermochten: eine Befreiung von Schuld und Trauer. Das Bild ist ein Symbol für all das, was von der Vergangenheit übriggeblieben ist. Während des Sommers in Rumänien erfährt sie stückchenweise mehr – von ihrem Vater im Widerstand gegen das Regime, von seiner Gefängnisstrafe, der Traumatisierung, von der Geschichte der Familie und des Bildes und letztlich auch von der Geschichte Rumäniens im 20. Jahrhundert. Am Ende gerät sie selbst noch in die gewaltsamen Proteste gegen die Regierung.

Einen Touristen, der sich in seiner Ferienlaune von Protestierenden gestört sieht, will sie anschreien, „dass er keine Ahnung hatte, wie es war, zu bleiben und nicht wie die anderen vier Millionen zu gehen, dass er keine Ahnung hatte, wie es war, auch dreißig Jahre nach der Diktatur mit einer Anstellung nicht genug zu verdienen, wie es war, sich an der Universität die Prüfungen kaufen zu müssen, wie es war, die Polizei zu rufen und sie kam nicht, mit einer Krankheit ins Krankenhaus zu kommen und mit zwei entlassen zu werden…“

Maria Bidian erzählt die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Ana. Träumerische Passagen wechseln sich ab mit drastischen Erzählungen von den Dingen, die während der Ceaușescu-Herrschaft passiert sind. Besonders gut gelungen sind die Passagen, in denen die Zusammenkünfte und Feiern mit den vielen Verwandten beschrieben werden, deren Verwandtschaftsgrad Ana gar nicht genau bestimmen kann. Kafka hätte gelacht über die lebensnahe Beschreibung der absurden Besuche in Behörden, die Ana absolvieren muss, um sich für die Erbschaft zu legitimieren.

Ein gut zu lesender Debütroman von einer Vatersuche, mit ein paar Längen und vielleicht dann doch einigen Personen zu viel.