Luft nach oben, aber unterhaltend und page-turning

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Wenn ein Buch bei mir punkten möchte, ist der erste Schritt ein einnehmender Anfang. Klingt nachvollziehbar, oder? Den hat Autorin Stacy Willingham bei "Das siebte Mädchen" schon gut hinbekommen:
Man lernt die Psychologin während einer Sitzung mit einer neuen Patientin kennen. Sie benimmt sich einfühlsam und professionell, lässt durch die Ich-Erzählweise ihre Gedanken dem Leser gegenüber offen wandern und scheint so nicht nur kompetent, sondern auch menschlich und verletzlich. Das liegt auch nahe - Chloe hat in ihrer Kindheit selbst ein schweres Trauma durchlebt. Als zwölfjährige erschütterte eine Serie von vermissten Teenagermädels die Kleinstadt, in der sie lebte. Nach einer Lebensphase voller Angst wurde ihr Vater als Verdächtiger festgenommen und später als Schuldiger zu lebenslanger Haft verurteilt. Und Chloe blieb gebranntmarkt zurück.

So ganz hat sie dies nie verwunden, dennoch steht sie jetzt mitten im Leben. Neben dem beruflichen Ziel anderen Menschen zu helfen steht sie kurz vor der Hochzeit. Zwar scheint nicht alles bunt und schön zu sein, aber das Leben ist zufriedenstellend (Das fand ich übrigens herrlich authentisch! In zu vielen Thrillern ist das Leben der Protagonisten auf den ersten Blick ja nahezu perfekt oder es wird sich im eigenen Elend gesuhlt. That's not reality!).
Und dann verschwindet erneut ein Mädchen. 20 Jahre nachdem die erste Verbrechensserie Lousianna erschüttert hat.
Nicht nur, dass dies bei Chloe alte, nie völlig verheilte Wunden aufreisst - es scheint auch so, als stünde sie damit in Verbindung...

Und so zieht die Geschichte ihren Lauf.
Man fliegt durch kurze Kapitel mit toll gesetzten Cliffhangern, der Umfang der 430 Seiten schwindet wirklich schnell unter den Fingern weg. Da lobe ich den Schreibstil und kann kaum glauben, dass das Willinghams Debüt ist.

...doch schaut man sich den Plot und dessen Konstruktion genauer an, wird man sich dessen bewusst. Dieser Thriller ist super geschrieben, aber leider nicht ganz rund.
Ich konnte Chloes Taten an mehreren Stellen nicht nachvollziehen. Kam auch teilweise mit ihren Gedanken nicht hinterher. Das störte mich irgendwann so stark, dass ich allgemein das Gefühl hatte nicht mehr mitzukommen und Logiklöcher zu sehen.
Aber gut, es soll Unterhaltung sein. Die bekommt man hier auf jeden Fall.

Gen Ende biss ich mir schon enttäuscht auf die Lippen. Die eigenen Ermittlungen zur Story im Kopf wurden bestätigt, dann zerschlagen, dann doch wieder bestätigt.
Wer viele Thriller liest, der wird hier trotz einigen Schwenkern nicht zu sehr überrascht werden.
Wer allerdings eher selten zu dem Genre greift, der ist hier genau richtig beraten! Man bekommt Spannung, zwar weder Spiel noch Schokolade, aber ein mitreißendes Buch und Lesestunden, die perfekt zum warmen Wetter passen.
Von mir gibt es solide 3,5 Sterne mit dem Hang aufzurunden.