Junger Kriegsheimkehrer hütet Geheimnis

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
marionhh Avatar

Von

Tristan Sadler, ein junger ehemaliger Soldat, ist auf dem Weg nach Norwich, um eine Aufgabe zu erfüllen. Als er sein Zimmer in einer Pension beziehen will, gibt es Probleme: Sein Zimmer ist noch nicht bezugsfertig. Die Wirtin ist aufgewühlt und würde Tristan am liebsten gleich wieder los, ihr Sohn ist zumindest sehr nervös, und man fragt sich, was um Himmels Willen da vorgefallen ist. Da alle Zimmer belegt sind und Tristan sich nicht abweisen lässt, kommt schließlich die Geschichte ans Licht: Der vorherige Gast vergnügte sich dort mit einem jungen Mann, wurde von diesem bedroht, und schließlich wurden beide verhaftet. 

 

Geschickt baut der Autor die Spannung auf, die Geschichte wird in der Ich-Form erzählt, und ebenso wie Tristan wird man langsam ungeduldig und sehr neugierig. Im ersten Moment erscheint uns das Vergehen vielleicht nicht dramatisch, man muss sich jedoch bewusst machen, dass homosexuelle Handlungen zwischen zwei Männern in der damaligen Zeit strafbar waren und Homosexuelle als krank und pervers angesehen wurden. Sexualität war generell ein Tabuthema, und diese Haltung merkt man der Wirtin und ihrem Sohn deutlich an. Nichtsdestotrotz ist Tristan eher mäßig erschüttert und nimmt das Zimmer trotzdem, worüber alle Beteiligten sehr erleichtert sind.

 

Tristan hat offensichtlich etwas Schlimmes im Krieg erlebt, das ihn ständig beschäftigt und auf dessen Auflösung wir im Laufe des Buches hoffen dürfen. Er hat zweifellos Schlimmes erlebt, seine rechte Hand zittert unkontrolliert, der Name des Wirtes des Pubs, in welchem Tristan die Zeit bis zum Bezug überbrücken will, ist derselbe wie der seines Sergeants. Als ein Glas zerbricht, fährt er zusammen. All dies deutet auf ein Trauma hin. Tristan flüchtet sich in schöne Geschichten und in Alkohol.

 

Vordergründig soll Tristan Briefe seines im Krieg gefallenen Freundes an dessen Schwester überbringen. Die erste emotionale Äußerung seinerseits findet man auf Seite 23. Lieber würde er sich verhaften lassen, als seine Mission zu erfüllen. Man beginnt zu ahnen, dass da etwas viel Tieferes verborgen liegt, das ihm auf der Seele brennt. Bestätigt wird dies durch einen Gast im Pub, der ihn anspricht und der ihn auf erstaunliche Weise durchschaut. William Miller sagt Tristan auf den Kopf seine Empfindungen zu, nämlich dass er ihn von tiefer Schuld und Selbsthass geplagt sieht. Dies scheint der Wahrheit sehr nahe zu kommen, Sadler weiß darauf nicht wirklich etwas zu erwidern (der Name Sadler kommt dann wohl auch nicht von ungefähr: „sad“ = traurig).

 

Fazit: Eine spannende Geschichte vor historischem Hintergrund, die geschickt Spannung aufbaut, ohne reißerisch zu werden. Man will unbedingt wissen, was Tristan bewegt und was ihm widerfahren ist. Interessante und vielschichtige Charaktere, bis in die Nebenfiguren ausgefeilt, so dass man gerne auch mehr über sie und ihre Beziehungen untereinander erfahren möchte. Sehr literarischer und feiner Stil, wunderbar zu lesen. Macht Lust auf Mehr!!