Kriegsfolgen

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buecherfan.wit Avatar

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Zu Beginn der Leseprobe befindet sich Ich-Erzähler Tristan Sadler im Zug von London nach Norwich, wo er eine Verabredung hat, die ihm äußerst unangenehm ist. Am liebsten würde er wieder umkehren. Da das reservierte Zimmer in der Pension von Mrs Cantwell und ihrem 17jährigen Sohn David noch nicht bezugsbereit ist, sucht Tristan Sadler eine Wirtschaft auf. Es ist der Abend seine 21. Geburtstags.

Am Ende der Leseprobe wissen wir noch nicht, dass Tristan Sadler mit der Schwester seines toten Kameraden verabredet ist, der er einige Erinnerungsstücke überbringen will und mit der über den Bruder sprechen will. Es gibt eine Reihe von Hinweisen - nicht zuletzt auch durch den deutschen Titel -, dass Tristan auch sehr schmerzliche Dinge mitzuteilen hat. Der Kriegseinsatz ist an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Er hat ein unkontrollierbares Zucken im rechten Zeigefinger und ist außerordentlich schreckhaft, zum Beispiel, als ein Glas zerbricht. Auf den Namen des Kneipenwirts - J.T. Clayton - reagiert er panisch, denn er kannte einen Sergeant Clayton aus Newcastle. Jeder scheint ihm im übrigen die Kriegsteilnahme anzusehen und spricht ihn darauf an. William Miller,  sein Gesprächspartner in der Wirtschaft, hat im Krieg zwei Söhne verloren. Er liest in Sadler wie in einem offenen Buch, sieht Schuldgefühle und Selbsthass. All diese Hinweise deuten auf traumatische Kriegserlebnisse hin und wecken das Interesse des Lesers an Sadlers Geschichte. 

Der renommierte Autor John Boyne ist nicht der erste, der den 1. Weltkrieg literarisch bearbeitet. Es gibt eine Fülle von Beispielen. Die englische Schriftstellerin Pat Barker hat vor Boyne in ihrer großartigen Regeneration-Trilogie (1991-1995) über die grauenhaften Schützengrabenerfahrungen und die schwer traumatisierten Teilnehmer dieses furchtbaren Krieges geschrieben. Es gibt sogar einen herausragenden, immens spannenden Thriller, der diesen Krieg thematisiert. In Rennie Airths "Nacht ohne Gesicht" begeht ein Killer, der sein Handwerk auf den Schlachtfeldern Flanderns gelernt hat, im Jahr 1921 eine Serie von grausamen Morden im ländlichen  England. Zuletzt wurde bei Vorablesen Louisa Youngs sehr empfehlenswerter Roman "Eins wollt ich dir noch sagen" vorgestellt. Ich bin sehr gespannt auf John Boynes Roman über eine fast 100 Jahre zurückliegende, aber keineswegs vergessene Epoche.