Großartiger Roman um Freundschaft, Mut und Prinzipientreue

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Ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs reist der ehemalige Soldat Tristan Sadler von London nach Norwich, um Marian Bancroft, der Schwester seines im Krieg umgekommenen Kameraden und Freundes Will, die Briefe zurückzugeben, die sie ihrem Bruder an die Front geschrieben hatte. Schwerer als an den Briefen trägt er an seinen Erinnerungen, ihm liegt etwas auf der Seele und er möchte bei Marian sein Gewissen erleichtern.
Der Roman ist aus der Sicht des Ich-Erzählers Tristan geschrieben, wechselt aber zeitlich gesehen die Perspektiven. Die Abschnitte aus dem Jahr 1919 spielen in Norwich und berichten in der Vergangenheitsform über das Treffen zwischen Tristan und Marian sowie von seinem Besuch in ihrem und Wills Elternhaus. Zwischen diesen Kapiteln finden sich die Abschnitte, die 1916 im Ausbildungslager Aldershot und in Frankreich an der Front angesiedelt sind. Diese Abschnitte sind im Präsens geschrieben und machen so den Leser direkt zum Zeugen der schrecklichen Ereignisse in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Das letzte Kapitel des Romans spielt im Jahr 1979, als es zwischen Tristan, der inzwischen auf ein langes Leben als erfolgreicher Schriftsteller zurückblickt, und Marian zu einem letzten Treffen kommt.

Im Mittelpunkt des Romans stehen die Themen "Freundschaft/Liebe", Mut", bzw. "Feigheit" und "Prinzipientreue". Diese Dinge werden sowohl auf der privaten Ebene in der persönlichen Beziehung zwischen den beiden Soldaten Tristan und Will als auch auf der öffentlichen Ebene in der Beziehung des Soldaten zu seinem Vaterland thematisiert. Tristan und Will entwickeln eine Beziehung, die über Freundschaft hinausgeht. Während Tristan sich seine Homosexualität eingesteht und dafür auch schon mit dem Verlust seines Elternhauses bezahlt hat, ist Will zu diesem Schritt nicht bereit. Nicht einmal vor sich selbst will er seine Neigung zugeben, öffentlich machen darf er sie natürlich ohnehin nicht, schließlich stehen gleichgeschlechtliche Beziehungen Anfang des 20.Jahrhunderts noch unter Strafe.
Doch nicht nur die unterschiedliche Interpretation ihres persönlichen Verhältnisses trübt die Freundschaft der beiden jungen Soldaten, sondern auch ihre unterschiedliche Einstellung zum Krieg. Während Tristan zwar am Krieg keinen Gefallen findet, sondern nur ohne viel nachzudenken seine Pflichten erfüllt, entwickelt sich Will zum Absolutisten (engl.Originaltitel "The absolutist"), der das Menschenverachtende des Krieges immer stärker empfindet und eines Tages nicht mehr bereit ist, in irgendeiner Form - und sei es als Helfer im Lazarett - an diesem Wahnsinn teilzuhaben.
Es gelingt John Boyne ausgezeichnet, die Situation der Soldaten zu verdeutlichen, die jeden Morgen unsicher sind, ob sie den Abend noch erleben werden, die ihre Kameraden reihenweise fallen sehen und den Befehlen von Vorgesetzten folgen müssen, die an ihrem Platz bleiben, obwohl sie ganz offensichtlich den Verstand verlieren.
"Das späte Geständnis des Tristan Sadler" ist jedoch kein Kriegsroman im üblichen Sinne, der einen umfassenden Überblick über die Kampfhandlungen in Frankreich bietet, der Fokus liegt hier ganz klar auf moralischen Fragestellungen.
Ein hervorragender Roman, der mich tief beeindruckt hat! ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png) ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png) ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png) ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png) ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png)