Freundschaft für immer! Auch 1939 mit einer Jüdin?

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Sehr gern habe ich die beiden vorherigen Lilly Bernstein-Romane „Trümmermädchen“ und „Findelmädchen“ gelesen. Beide waren Lesehighlights für mich und so war klar, ich will und werde auch den neuen Schmöker „Sturmmädchen“ lesen. Es hat sich gelohnt – auch dieser ist ein Leseerlebnis.

Spielten die anderen „Mädchen“-Bände im Kölner Raum, ist die aktuelle Geschichte in der Eifel, nahe der belgischen Grenze, angesiedelt.


Die drei Freundinnen kennen sich seit der Kindheit. Elli und Käthe besuchten gemeinsam die Schule, sie leben in einfachen Verhältnissen mit jeweils einem Elternteil. Margot wohnt mit ihrer Familie in Aachen, die Wochenenden und Ferien verbringt sie im Ferienhaus in der Eifel, so teilt das Kleeblatt viel unbeschwerte Zeit und fröhliche Erinnerungen. Nun sind sie erwachsen und wir begegnen ihnen im Oktober 1938. Käthe kümmert sich um Brüder, Vater und das Baby ihrer Schwester, sie ist stolzes Mitglied in der Nat. Soz. Frauenschaft und hat den Kontakt mit der jüdischen Freundin Margot abgebrochen. Ellis Vater hat sein Leben im Krieg verloren, ohne seine Tochter einmal gesehen zu haben und so bildet sie mit ihrer Mutter, der einzigen Geburtshelferin und Ratgeberin für so viele bei Gesundheitsfragen, eine kleine Familieneinheit. Margot ist und bleibt ihre Freundin - wie sie es sich vor Jahren gegenseitig geschworen haben.


Die Geschichte wird ausgehend von Elli erzählt, die durch Briefe von der in Aachen lebenden Margot bruchstückhaft kleine Hinweise erhält, wie sich das Leben der früheren Geschäftsinhaberfamilie mit Angestellten und Personal zu einem sehr einfachen, unterdrückten und bedrohten Leben wandelt. Elli versucht gemeinsam mit ihrer Mutter die Familie mit kleinen Gesten zu unterstützen.

Elli wächst über sich hinaus, sie ist eine junge Frau, die sich nützlich machen möchte, aber sie verabscheut alles was mit Kampf und Ausgrenzung zu tun hat. Sie hat eine körperliche Schwäche und weiß, wie es ist, auf ein Makel reduziert zu werden.

Der Roman hat einen hohen Spannungsbogen, ich habe regelrecht mitgefiebert, wenn Elli mutig und waghalsig etwas geplant und ausgeführt hat. Sie riskiert ihr Leben um anderen ein Überleben zu ermöglichen. Nahe der belgischen Grenze wird sie immer wieder konfrontiert mit Flüchtenden und Grenzpatrouillen. Sie weiß, wie gefährlich es ist – aber zusehen kann keine Option sein.

Ich habe diesen Roman sehr gern gelesen und für mich ist die Geschichte des Sturmmädchens und ihrer Freundinnen auch noch nicht auserzählt. Sie ist in diesem Buch bis Mai 1940 aufgeschrieben und daher ist noch viel offen. Kann mir daher sehr gut vorstellen, dass wir entweder einen linearen weiteren Band zu lesen bekommen oder mit einem Zeitversatz einer Freundin wieder begegnen oder aus anderer Sicht Situationen erzählt bekommen. Der kleine Friedrich, ein Held der Geschichte, ist auch wert, noch einmal aufzutauchen. Wie ergeht es Margot, Elli und Käthes Familie?


Das Cover des Romanes passt von der Gestaltung sehr gut zu den bisherigen Bänden von Lilly Bernstein. Nur werden sich manche ärgern, dass der aktuelle Band als Paperback und nicht im kleineren Taschenbuchformat erschienen ist und in auf Höhe begrenzten Regalen nun nicht daneben stehen kann. Dafür ist das Schriftbild sehr lesefreundlich.