15 Jahre später ist alles anders, oder?

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mammutkeks Avatar

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Im Jahre 1994 wird ein vierjähriges Mädchen entführt und wenig später ermordet aufgefunden. Nachdem es einige Zeit keine Ermittlungsfortschritte gibt, gelangt der Psychiater Dr. Joachim Lichner in das Visier der Kriminalkommissare Menkhoff und Seifert. Während Menkhoff ein etablierter und versierter Kommissar ist, ist Axel Seifert ganz frisch in der Mordkommission. Er hegte offenbar von Anfang an Vorbehalte gegenüber des Verdächtigen, konnte sich aber gegen seinen Kollegen nicht durchsetzen.

Der zweite Handlungsstrang von "Das Wesen", dem zweiten Psychothriller von Arno Strobel, spielt im Jahr 2009 - Dr. Joachim Lichner ist inzwischen aus der Haft entlassen, was die Kommissare jedoch nicht wissen, als sie ein anonymer Anruf erreicht, in dem eine weitere Entführung eines Kindes mitgeteilt wird. Gemeinsam mit der Adresse eines Verdächtigen, woraufhin die beiden Kommissare in Action treten - und dann Lichner gegenüberstehen. Dieser lebt offenbar in einer völlig verwahrlosten Wohnung - doch Ermittlungen im Melderegister ergeben, dass eigentlich seine zweijährige Tochter bei ihm leben müsste. Diese ist allerdings nicht aufzufinden.

Was folgt, ist ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Lichner und den Kommissaren, insbesondere mit Menkhoff, dem er vorwirft, die Beweise gefälscht zu haben.

Bei Seifert mehren sich die Zweifel - an seinem Kollegen, an der Version Lichners, an der der ehemaligen Hauptbelastungszeugin, eigentlich an allem. Doch er gibt diesen Zweifeln nur bedingt Ausdruck, fürchtet er sich doch vor den verbalen Attacken seines Kollegen, der inzwischen auch sein Freund ist.

Strobel erzählt auf zwei Zeitebenen - die Geschehnisse von 1994 und dann die von 2009, teilweise äußerst detailliert, teilweise stakkatohaft in kurzen Rückblenden. Die Personen sind teilweise nur skizziert, teilweise kommen sie ziemlich klischeehaft daher. Was nicht fehlen darf, ist natürlich ein Missbrauchsfall in der Vorgeschichte, aber auch dieser unterliegt dem alles dominierende Konstrukt der Geschichte, die aber m.E. auch von Strobel gewollt ist.

Das Katz-und-Maus-Spiel zieht sich bis zur letzten Seite durch, wobei insbesondere in den letzten Kapiteln das Stilmittel des Cliffhangers überstrapaziert wird. Die Kommissare erfahren etwas, doch im Gegensatz zu den ersten knapp 300 Seiten werden diese Erkenntnisse nicht mehr mitgeteilt, es erfolgt wieder ein Zeitsprung - und der Leser wird auf die Folter gespannt. Wobei die psychologische Folter ziemlich gering gehalten wird - der Roman ist gut geschrieben, stilistisch stimmig und sicher, aber mir nicht spannend genug. Interessant finde ich die philosophische Erklärung des Titels, die allerdings erst ziemlich weit hinten stattfindet.

Wie beim Vorgänger ist die Gestaltung des Taschenbuchs sehr ansprechend - wieder mit einem erhabenen Schriftzug auf dem Cover und mehrfarbig gestaltetem Innencover mit einem Kurzinterview des Autors. Aber insgesamt hatte ich mir mehr versprochen.