Das Wesen beschreibt das unverfälschte Wahre

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Ich hatte bisher noch kein Buch von Arno Strobel gelesen, habe aber nur Positives über „Der Trakt“ gehört, so dass ich mit großen Erwartungen an „Das Wesen“ gegangen bin - und diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht!

Das Buch beginnt mit einem Prolog, der im Jahr 2007. Nach 13 Jahren, einem Monat und zehn Tagen wird ein Straftäter aus der JVA Hagen entlassen und will in Aachen ein neues Leben beginnen. Bei seiner Entlassung ist er nicht glücklich, sondern wütend.

Danach spielt der Thriller auf zwei zeitlichen Ebenen. Im 2009 erhalten die Kriminalkommissare Bernd Menkhoff und Alexander Seifert, der der Ich-Erzähler des Buches ist, einen anonymen Anruf, der sie darauf hinweist, dass in einem Haus ein kleines Mädchen verschwunden ist. Als sie bei der Wohnung ankommen, treffen sie auf einen alten Bekannten, nämlich den Psychiater Dr. Joachim Lichner. Alles deutet darauf hin, dass dieser seine eigene Tochter entführt hat, und die beiden Kommissare nehmen die Ermittlung auf. Der zweite Erzählstrang spielt im Jahr 1994, in dem Kommissar Seifert an seinem ersten Mordfall mitarbeiten muss: Die kleine Juliane wird ermordet, und Hinweise führen zu Dr. Lichner, der in der Nachbarschaft wohnt. Aufgrund der Indizien wird er schließlich für die Tat verurteilt. Beim Ich-Erzähler sind jedoch Zweifel geblieben, ob es sich tatsächlich um den richtigen Täter gehandelt hat.

 

Da dies mein erstes Buch von Arno Strobel war, kann ich es nicht mit „Der Trakt“ vergleichen. Dieser Psycho-Thriller hat mir aber auf alle Fälle sehr gut gefallen. Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann geschlagen, und es fiel mir überhaupt nicht schwer, ins Buch zu kommen. Von Anfang an wurde Spannung aufgebaut, die auch im Lauf des Lesens nicht nachgelassen hat. Dabei hat es mir besonders gut gefallen, dass das Buch praktisch komplett ohne Gewalt und blutige Szenen auskommt. Am liebsten hätte ich es in einem Rutsch gelesen und habe immer bedauert, wenn ich es aus irgendwelchen Gründen aus der Hand legen musste.

 

Arno Strobel benutzt eine knappe und präzise Sprache und schreibt in kurzen Kapiteln, die anfangs zwischen dem Geschehen in den Jahren 1994 und 2009 wechseln und später nur noch im Jahr 2009 spielen - und natürlich immer genau an einer spannenden Stelle aufhören, so dass ich immer wissen wollte, was passiert bzw. was es mit etwas auf sich hat, das die Kommissare gerade entdeckt haben. Die Figuren sind lebendig beschrieben, und man erfährt auch private Dinge von ihnen. Der Thriller ist einfach und flüssig zu lesen. Auch wenn zwei Geschichten nebeneinander herlaufen, hatte ich keine Probleme, mich zu orientieren. Mir gefällt es eigentlich immer gut, wenn Bücher auf mehreren Ebenen spielen. Bei „Das Wesen“ war sowohl das Geschehen in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart spannend. Für mich als Leser sind immer wieder Fragen aufgetaucht, und es hat mich sowohl interessiert, was 1994 passiert ist und wieso der Psychiater verurteilt wurde, als auch, was heute abläuft und ob tatsächlich ein Kind verschwunden ist. Immer wieder hatte ich Vermutungen, die teilweise jedoch nicht zutrafen, weil es neue und überraschende Wendungen gab.

 

Gut finde ich das kurze Interview mit dem Autor am Anfang des Buches und die Leseprobe am Ende, die Lust auf mehr macht. Das Cover ähnelt dem von „Der Trakt“ und wird vor allem die Leser aufmerksam machen, denen dieses Buch gefallen hat. Es verbreitet eine düstere Stimmung, hat mit der Treppe aber einen Bezug zum Buch. Mir gefällt die erhabene Schrift des Titels, der zum Inhalt des Buches passt, wie im Verlauf der Geschichte deutlich wird. Zunächst hatte ich eine falsche Vorstellung. Gut finde ich, dass der Text auf der Rückseite nicht zu viel verrät. Mich ärgert es immer, wenn dort bereits das halbe Buch vorweggenommen wird.

 

Mein Fazit lautet also, dass es sich um einen absolut lesenswerten Psycho-Thriller handelt, der gerne ein bisschen dicker hätte sein dürfen. Viel zu schnell ist man am Ende des Buches angelangt. Ich hoffe, Arno Strobel wird noch weitere Bücher dieser Art schreiben.