Verwirrungen und Intrigen

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chrischid Avatar

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Nach 15 Jahren wird ein verurteilter Mörder aus dem Gefängnis entlassen und es scheint als würde die Geschichte sich sofort wiederholen, denn wieder verschwindet ein kleines Mädchen und die Spur führt den damals ermittelnden Kommissar wieder zum selben Verdächtigen, der damals wie heute seine Unschuld beteuert. Kriminalhauptkommissar Menkhoff ist sich jedoch sicher den richtigen erwischt zu haben, wieder einmal, auch wenn er nicht alles hieb- und stichfest beweisen kann. Er ist jedoch überzeugt, ja regelrecht besessen davon, den Psychiater ein zweites Mal hinter Gitter zu bringen, seiner Meinung nach zu recht.

 

Dieser Psychothriller von Arno Strobel ist von Beginn an rasant und fesselnd. Der Leser ist sofort in den Bann gezogen und kommt nicht mehr aus dem Sog von Intrigen und Verwirrungen heraus bis er nicht weiß wie es ausgeht. Der Autor streut geschickt immer wieder kleine Häppchen aus, die der Leser gierig aufnimmt, die ihn aber leider nicht früher zum Ziel führen, sondern im Gegenteil, immer wieder in die falschen Richtungen denken lassen. Dennoch ist man dem Autor darüber nicht böse, man wartet eher regelrecht auf neue Wendungen und neue Ansätze, die man, höchstwahrscheinlich erfolglos, verfolgen kann.

 

Der Verurteilte und der Ermittler kennen sich von einem 15 Jahre zurückliegenden Fall und nun soll sich dieses Verbrechen wiederholt haben, mit den selben Darstellern, natürlich ist das Opfer ein anderes, aber wieder ist ein Mädchen verschwunden und Kommissar und Täter stehen sich erneut gegenüber. In jedem Kapitel wechselt die Perspektive, denn abwechselnd wird von der Gegenwart und von der Vergangenheit erzählt, so dass im Grunde beide Ermittlungsstränge, damals wie heute, nebeneinander aufgezeigt werden und der Leser sich so ein eigenes Bild von den Parallelen machen kann und davon, ob der Kommissar wohl recht hat, wenn er behauptet beide Male den Richtigen erwischt zu haben, oder doch der Psychiater, der nach wie vor seine Unschuld beteuert. Für jede These gibt es Hinweise, die diese bestärken, aber bei all dem gibt es dann auch wiederum Bedenken und bis zum Ende ist nicht klar was nun wirklich geschehen ist.

Die Auflösung ist dramatisch und erleichternd zugleich, denn einerseits hat der Leser sich diese zwar schon so gedacht, aber andererseits blieb immer ein kleiner Zweifel, ob man nicht doch etwas übersehen hat und dadurch komplett in die falsche Richtung gedacht hat. Somit kommt dann die Erleichterung zustande, da man schwarz auf weiß liest was passiert ist und seinem Gehirn nun wieder ein wenig Ruhe leisten kann.

 

Die Darstellungen der Charaktere sind sehr gut. Auch wenn man sich nicht mit ihnen identifizieren kann, oder besser gesagt möchte, so spürt man doch eine gewisse Bindung, die hergestellt wird, so dass man ihre Vorgehensweisen nachvollziehen und verstehen kann. Die Schwächen und Stärken aller Beteiligten werden herausgehoben, so dass der Leser selber als Psychiater fungieren kann und die Personen mehr oder weniger analysieren kann, um selber zu ermitteln, wer eigentlich wen hintergeht und warum.

Auch der Schreibstil ist sehr eingehend, so dass man sofort gefesselt ist und sich nicht mehr aus dem Bann befreien kann und will, so lange, bis man die Lösung kennt. Stellenweise gehen die Beschreibungen wirklich unter die Haut, denn auch, wenn es bei weitem brutalere Thriller gibt, ist dieser doch für die Psyche extrem grausam, da sich alles im Kopf abspielt und daher nicht greifbar ist, was es für einen schwerer macht wirklich zu akzeptieren und dadurch oft schlimmer ist.

 

Nach 'Der Trakt' ist Arno Strobel mit 'Das Wesen' ein würdevoller Nachfolger gelungen, der den Leser beinahe verrückt macht.

Die kurze Leseprobe am Schluss, zu seinem neuen Thriller, der bald erscheinen wird, zeigt dem Leser bereits, dass dies noch lange nicht alles war und man sich noch auf einiges gefasst machen darf. Wer glaubt nach 'Das Wesen' abgehärtet zu sein und schon alles zu kennen, wird sich mit Sicherheit noch mehr als einmal wundern.