Was wir heute denken - und warum.

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Meinung
Das Buch schien zunächst äußerlich recht unspektakulär daherzukommen, schlicht und überbunt zugleich. Die Leseprobe allerdings verrät bereits, dass mehr in diesen 288 Seiten steckt, als zunächst vermutet. Die Autorin schreibt, dass jede Generation ihre eigenen Kämpfe durchzustehen hatte und die jetzige mit keinen physischen, dafür aber umso mehr psychischen zurechtkommen müsse. Das gelingt nicht allen gleichermaßen. Und weil wir offenbar immer noch sehr viel Steinzeitmensch in uns haben, der ganz eigene Strategien entwickeln musste um in seiner Umwelt überleben zu können, haben wir davon eine Menge in die Neuzeit gepackt. Vieles ergießt sich dann aber in eine „kognitive Verzerrung“ also „selbsttäuschende Gedankenmuster, die sich aufgrund der mangelhaften Fähigkeit unseres Gehirns entwickelt haben, Informationen aus unserer Umgebung zu verarbeiten.“ (Seite 12) Und zu verarbeiten ist heute mehr denn je. Damit sind nicht nur die vielen Social-Media-Kanäle gemeint, sondern auch dieses viele immer verfügbare „Wissen“. Aber wissen wir eigentlich wirklich? „Grob gesagt beschreibt der Begriff „magisches Denken“ die Annahme, dass die eigenen inneren Gedankengänge äußere Ereignisse beeinflussen können“ (Seite 14) Wenn also Zeiten nahen, in denen man sich hilflos fühlt, stark verunsichert ist oder meint, alles gleite aus den eigenen Händen, kommen viele Gehirne psychisch nicht mehr mit. Um wieder die Kontrolle zu erlangen, würden dann fragwürdige Entscheidungen getroffen. Was für eine immense Auswahl es an dieser Stelle für Kognitive Verzerrungen gibt, hat dieses dünne Büchlein vermutlich nicht komplett gefunden. Für einen ersten Überblick reicht es aber allemal. In insgesamt elf Kapiteln nähert sich die Autorin diesen an. Dies allerdings auf eine amerikanische Weise, in der alles mit mehr oder weniger uninteressanten Storys hinterlegt wird. Hier leider ausschließlich derer aus der Biografie der Autorin, die sie ziemlich langatmig schildert. Damit ist das Buch leider recht selbstgefällig geworden, in der Tat habe ich noch nie eine so dermaßen unsympathische Erzählstimme irgendwo gelesen. Das hat dazu geführt, dass ich nicht jedes Kapitel so richtig verstanden habe, in dem, worauf die Autorin letztendlich hinauswollte. Sie erwähnt das Kapitelthema, erzählt eine Story und glaubt, das zeige aktiv, worum es geht. Sie schreibt damit aber in Bildern, die der Adressat verstehen können muss und Pech gehabt hat, wenn er es nicht tut. Zudem hat die Autorin krampfhaft versucht, ihre eigenen zweifelhaften Lebensentscheidungen mit all diesen Theorien zu begründen. Es blieb oft nur ein bloßes Augenrollen. Selbstreflektion mag zwar vorhanden sein, aber auf eine kranke, gestelzte Weise, die keinem helfen wird. Wenig hilfreich überdies, dass die Autorin versucht, ihre eigenen politischen Ansichten überall unterzubringen und alle Leute, die nicht bis ins Detail damit übereinstimmen, in eine Verzerrungsecke zu stellen. Die können ja nicht normal sein/denken. Oder: Denn sie wissen nicht was sie tun. Aber vielleicht wissen sie es doch, vielleicht sogar besser, als die Autorin es ihnen zugestehen mag.
Oh, und sie hat ein Buch über Kulte geschrieben. Das weiß jeder Leser am Ende dieses Büchleins, denn sie erwähnt es so oft, dass es einem fast zu den Ohren herauskommt.
Wer nun wissen möchte, was der Halo-Effekt ist, der Deklinismus oder das Proportionality Bias, sollte mal reinschauen. Ansonsten ist „Das Zeitalter des magischen Zerdenkens“ ein unsympathisches, affektiertes Buch voller Geschwätz, das mitunter kaum zu verstehen ist und schon nach kurzer Zeit vergessen wird. Leider, denn die Idee war wirklich gut.