Das Opfer, ein lebenslanger Täter

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cara_11 Avatar

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Deichfürst: ein reicher Polderbauer, Tadeus de Vries, wird ermordet aufgefunden in einer Baustelle eines Emssperrwerks, lebendig in eine Kiste gesperrt und begraben. Die Crux an der Sache: der Bau des Sperrwerks war über ein Jahr eingestellt, und wurde erst am Tag zuvor wieder aufgenommen. Waren es die Sperrwerkgegner, die ihren Rivalen, einen starken Befürworter des Sperrwerks, beiseite geschafft haben? Oder liegen die Gründe im persönlichen Umfeld des Opfers? Stephan Möllenkamp, der erst kürzlich aus Osnabrück in die Gegend gezogen ist, steckt bei den Ermittlungsarbeiten fest - auch weil die ortsansässigen, eine recht eingeschworene und rundum verschwägerte Gesellschaft, ihm als Zugezogenen nicht recht traut. Doch da ist noch Gertrude, die Journalistin eines Lokalblattes, die zwar versucht, ihm immer eine Nasenlänge voraus zu sein, aber ihm doch ein paar Informationen gibt. Mit langen Rückblenden auf die Zeit im/nach dem zweiten Weltkrieg, als ein ostpreußisches Flüchtlingsgeschwisterpaar am Hof der Eltern von de Vries Schutz suchten, die Schwester aber von Tadeus mißbraucht und ermordet wurde, und den weiteren Impressionen aus dem Leben des Bruders weiß der Leser schon lange vor den Ermittlern, wer eigentlich der Mörder ist - denn das Opfer ist eigentlich sein ganzes Leben lang Täter gewesen, Opfer gibt es genug. Doch erst muss der ganze Schmutz, den Tadeus de Vries in seinem Leben aufgehäuft hat, vom "Schlächter von den Haag" bis hin zu den miesen Geschäften mit seinem Bruder oder der Vergewaltigung der minderjährigen Nachbarin erst durchwühlt werden. Der Bruder, eigentlich schuldlos, erhängt sich (oder wird auch getötet)? Der Täter entkommt unter falschem Namen, doch im Epilog erfahren wir auch von seinem dramatischen Ende. Vielleicht sind ein bisschen zuviele Geschichten in dieses eine Buch verpackt worden - die linken Demonstrationen gegen das System, Naziregime, Flüchtlingswelle im zweiten Weltkrieg, die thailändischen Prostituierten in Holland, der lästige Nachbar des Kommissars, Pyramidenspiele, die Frustration der Azubi beim Bäcker - ich kam beim Lesen nicht wirklich ganz flüssig weiter. Der Humor, den ich auf den ersten Seiten stärker spürte, wird vom Ernst der Taten von Tadeus de Vries stark gedrückt - doch zum Schluss hat man das Gefühl, es wird wieder leichter. Aber die Protagonisten machen Spaß, und ich freue mich auf weitere Fälle von Stephan und seinem verrückten Team!