Bewegende ukrainische Familiengeschichte

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smoerblomma84 Avatar

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In dem Buch „Denk ich an Kiew“ wird die Geschichte einer ukrainischen Familie auf zwei Zeitebenen erzählt.
In der Gegenwart lernt der Leser Cassie kennen, die sich und ihr Leben nach dem Tod ihres Mannes scheinbar aufgegeben hat und die derzeit nur für ihre Tochter Birdie zu „existieren“ scheint. Erst mit der Pflege ihrer Großmutter Bobby (Katja) und einem damit verbundenen Umzug, kehrt ihr Lebensmut schrittweise zurück.
Die andere Zeitebene beginnt im Jahr 1929 in der Ukraine und erzählt die Geschichte von Katja und ihrer Familie während des Holodomors, einer von Stalin herbeigeführten Hungersnot mit dem Ziel der Zwangskollektivierung der Bevölkerung.
So werden die beiden Zeitebenen zusammengeführt: Cassie erhält von ihrer inzwischen demenzkranken Oma Katja deren Tagebücher und erfährt im Verlauf der Geschichte mehr von der ihr, bis dahin unbekannten Vergangenheit ihrer Familie.

Mich hat insbesondere der Erzählteil in der Vergangenheit tief bewegt und gleichzeitig sehr erschüttert. Dieser düstere Teil der ukrainischen Geschichte war mir zugegebenermaßen unbekannt. Und auch, wenn dieser Teil viele bedrückende Schilderungen enthält, hat er mir aufgrund der Authentizität besser gefallen als die Handlung in der Gegenwart. Der Erzählstrang um Cassie bewirkt einerseits eine Auflockerung, andererseits fehlte mir der nötige Tiefgang und war mir persönlich insgesamt zu vorhersehbar sowie konstruiert.
Auch mit Blick auf die Beschreibung der Protagonisten bin ich zwiegespalten. Bobby wird sowohl in ihrer Jugend als auch im Alter sehr authentisch dargestellt. Als Leser:in kann man sich beispielsweise gut vorstellen gemeinsam mit ihr und der Urenkelin in der Küche zu stehen und typische ukrainische Rezepte zu kochen oder zu backen. Der Charakter Cassie hingegen bleibt dagegen blass und oberflächlich, mit wenigen Ecken und Kanten und bedient zusammenfassend ein etwas klischeehaftes Bild.

Fazit: Die Autorin Erin Litteken liefert mit „Denk ich an Kiew“ einen gut recherchierten Roman, der sehr eindringlich und bewegend über ein grausames Kapitel ukrainischer Geschichte informiert. Grundsätzlich handelt es sich für mich um ein empfehlenswertes und lesenswertes Buch, das stellenweise zwar einige Längen aufweist, aber insgesamt sehr berührend ist und zum Nachdenken anregt.