Opfer von Stalins Terror-Regime

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Illinois 2004: Cassie versucht nach einem Jahr noch immer, über den Unfalltod ihres Mannes hinweg zu kommen und sich dabei um ihre kleine Tochter zu kümmern. Sie zieht zu ihrer hilfsbedürftigen Großmutter, die zunehmend verwirrter wird, schlafwandelt, Lebensmittel versteckt und Selbstgespräche führt. Durch ein Tagebuch erfährt Cassie die Geschichte ihrer Großmutter Katja, die unter Stalins Terror-Regime in der Ukraine aufwuchs und in ihrem Kampf ums Überleben viele Schicksalsschläge hinnehmen musste.

Die Geschichte Katjas ist die eigentlich wichtige Handlung in diesem Buch, das die Leser*innen sehr berührt. Es ist zutiefst grausam über den Tod durch Aushungern zu lesen, über das Leiden der Menschen, die vielen Tote. Und doch ist da auch immer wieder ein Funke Hoffnung im täglichen Überlebenskampf.

"Denk ich an Kiew" wird von Erin Litteken in zwei Ebenen erzählt: die Geschichte von Cassie, 2004 - 2007 und von Katja, 1929 - 2004. Dabei hat die Geschichte von Cassie relativ wenig Tiefgang, ist durch einige Klischees geprägt und recht vorhersehbar. Die Kapitel wechseln sich ab und das ist auch gut so, denn ansonsten könnte man die beschriebenen Gräueltaten in Katjas Leben kaum ertragen. Aber so hat man als Leser*in immer wieder eine Verschnaufspause und das Ergebnis ist erstaunlich überzeugend. Beide Lebensgeschichten weisen gewisse Parallelen auf, aber verglichen mit ihrer Großmutter relativieren sich Cassies Probleme schnell.

Die Autorin hat die Geschichte ihrer eigen Großmutter in diesem Roman verarbeitet, wenn sie auch nach eigenen Angaben sich ein paar dichterische Freiheiten genommen hat. Aber man merkt beim Lesen, dass dieses Thema ihr eine Herzensangelegenheit ist und somit ist die Figur der Katja auch sehr authentisch dargestellt.

Vor dem Hintergrund von Stalins Terror-Regime gegenüber der Ukraine wird der aktuelle Konflikt noch dramatischer. Was muss es gerade für die alten Menschen bedeuten, diesen Krieg zu durchleiden.
Eine unbedingte Leseempfehlung, einziger Punktabzug für die in meinen Augen etwas zu seichte Geschichte von Cassie.