Es mangelt in jeder Hinsicht an Tiefgang

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katicey Avatar

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1867, der irische Polizist James O´Connor wird nach dem Tod seiner Frau als trockener Alkoholiker nach Manchester versetzt. Dort soll er die „Fenians“ ausspionieren, eine Gruppe militanter irischer Unabhängigkeitskämpfer. Als drei dieser Männer hingerichtet werden, sinnen die Fenians unter Führung des irischstämmigen Amerikaners Stephen Doyle auf Rache. Nachdem O´Connors erster Spitzel bereits ermordet wurde, wird nun sein Neffe von der englischen Polizei genötigt, sich als Spion bei den Fenians einzuschleusen. Er liefert auch die entscheidende Information, die einen Anschlag verhindert, aber ein Polizist verliert trotzdem sein Leben. Während O´Connor dafür unberechtigter Weise im finstersten Gefängnisloch festgehalten wird, wird sein Neffe enttarnt und getötet. Nach seiner Entlassung schwört O´Connor Rache und folgt dem inzwischen in seine Heimat zurückgekehrten Doyle nach Amerika.

Man steigt ohne große Einführung sofort in die Handlung ein und das macht es Anfangs etwas unübersichtlich. Ich brauchte einige Seiten, um die einzelnen Personen hinsichtlich ihrer Beziehung zu O´Connor und ihrer politischen bzw. gesellschaftlichen Stellung einzuordnen. Sehr viel einfacher war es, die düstere Grundstimmung des Buches zu erfassen. Der Autor beschreibt die damaligen Lebensumstände und vorherrschenden Probleme und Konflikte sprachlich sehr überzeugend.

Leider war das aber auch das Einzige, was mich an dem Buch überzeugt hat. Aufgrund des Klappentextes hatte ich nicht erwartet, dass der irische Unabhängigkeitskampf selbst großartig thematisiert wird, sondern lediglich als Aufhänger für den Kampf zwischen O´Connor und Doyle dient. Ich hatte eher mit einer persönlich gefärbten Fehde zwischen den beiden gerechnet. Doch weder hat sich Doyle wie angekündigt ernsthaft an O´Connors ‚Fersen geheftet‘, sondern ist nach Amerika geflohen, noch konnte ich einen „erbitterten Kampf“ zwischen beiden feststellen. Das ist schade, denn dem Buch hätte die konsequente Verfolgung einer Erzählrichtung gutgetan – entweder durch Vertiefung in Richtung des politischen Konfliktes oder durch die Herausarbeitung einer echten Feindschaft zwischen O´Connor und Doyle. Beides hätte ein spannendes Setting schaffen können, so aber dümpelt die Geschichte nur vor sich hin.

Zu viele Sachen werden angerisssen und dann wieder fallengelassen: die Hinrichtung der drei Fenians, O´Connors Beziehungen zu den Menschen in seinem Umfeld wie Rose, Michael und Fazackerley, seine Alkoholsucht, das geplante Attentat – um nur einige zu nennen. Nichts wird wirklich vertieft, das Buch kratzt von Anfang bis Ende immer nur an der Oberfläche und das geht zu Lasten der Spannung. Ich hatte zu keiner Zeit Probleme, das Buch aus der Hand zu legen und habe auch nie das Bedürfnis verspürt, unbedingt weiterlesen zu wollen.

Auf der Ebene der handelnden Personen wird es leider nicht besser. Sie werden beschrieben, ihnen werden Eigenschaften zugeordnet und ab und an erfährt man auch etwas aus ihrer Vergangenheit. Doch es gelingt dem Autor nicht, vielschichtige Persönlichkeiten mit Tiefgang zu erschaffen, mit denen man sich identifizieren kann, die Emotionen wecken. Da hilft auch der Rückfall von O´Connor in seine Alkoholsucht nicht, die eher rüberkommt wie eine vorübergehende Grippe als wie eine Reaktion auf eine emotionale Überforderung.

Das alles wäre noch halbwegs verzeihlich und hätte für eine durchschnittliche Bewertung gereicht, aber das Ende des Buches war für mich die Krönung – im negativen Sinn. Wer hier auf einen Showdown hofft, wird maßlos enttäuscht werden. O´Connor folgt Doyle nach Amerika, findet seinen Aufenthaltsort heraus und geht wieder ohne ihm überhaupt persönlich zu begegnen – die tieferen Beweggründe bleiben wieder einmal im Dunkeln. Was danach passiert, wird von einem schnell noch in die Geschichte eingefügten und letztendlich im Leben gescheiterten Schützling von O´Connor „erzählt“. Ein abstrus anmutendes Ende, das mich zu einer weiteren Abwertung veranlasst hat.

Fazit: Im Gegensatz zum „Nordwasser“ von Ian McGuire muss man dieses Buch nicht gelesen haben. Ich neige sogar dazu, davon abzuraten.