Kein leichter Tobak

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kleine hexe Avatar

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Dieses Buch hat mir einen bitteren Geschmack hinterlassen. Es ist spannend geschrieben, die grausamsten Szenen werden ausgespart, man erfährt nur hinterher wie die Menschen umgebracht wurden. Die Morde werden nicht detailgetreu wiedergegeben. Aber es ist der ganze Hintergrund, der einen voller Bitterkeit zurückblicken lässt. Was heißt hier zurück? Das Grundthema des Buches ist noch lange nicht abgearbeitet und bewältigt. Noch heute sind die Nordiren die Prügelknaben der Engländer. So wie bei uns die Ostfriesenwitze sind in England die Nordirenwitze, nur brutaler, rücksichtsloser. Wenn bei uns die Nordfriesenwitze Humor haben und man sie mit einem Augenzwinkern erzählt, denn wir alle wissen, dass auch die Ostfriesen die Bäume mit dem Grünen nach oben einpflanzen, sind englische Witze über die Nordiren gnadenlos, voll Schadenfreude. Bei uns hat Otto Waalkes die Ostfriesen geadelt und überall willkommen gemacht.
Doch zurück zum Buch. Die Handlung spielt mitten im viktorianischen Zeitalter. Da war die Not der Iren am größten. Zugegeben, den meisten Engländern und anderweitigen Untertanen Ihrer Majestät ging es auch nicht viel besser. Immerhin wütete 1888 in London Jack the Ripper. Aber keine Hungersnot wie die Große Hungersnot in Irland, während der in den Jahren 1845 – 1851 zwei Millionen Menschen an den Folgen starben. Sie starben während Schiffe voller Getreide Irland Richtung England verließen. Die Getreideernte gehörte den englischen Großgrundbesitzern.
Der Roman beginnt 1867 mit der Hinrichtung von drei irischen Rebellen in Manchester. Nach der großen Hungersnot mussten viele Iren auswandern, in die USA, Australien, Kanada, aber auch nach England. Zu dieser Zeit werden alle Iren von den Engländern pauschal als Aufständische, Rebellen, nutzlose Taugenichtse abgestuft. Sie werden alle über einen Kamm geschert, egal ob sie Mitglieder der Fenian Brotherhood sind oder nicht. Allein ihre Abstammung macht sie schuldig. Ein irischer Polizist wird nach Manchester versetzt, um die hiesige Polizei zu unterstützen. Doch keiner hört auf ihn, im Gegenteil, er ist ständig den bösen Zungen der Kollegen ausgesetzt, man blickt auf ihn herab, sein Wort gilt nichts. Die Überheblichkeit der Engländer kennt keine Grenzen. Nach einer mehrere Monate dauernden Einkerkerung die James O’Connor unschuldig erleiden muss, entschließt er sich auszuwandern, er geht nach Amerika, um den Mörder seines Neffen zu suchen. Doch nicht einmal hier, in der „freien Welt“ greift irgendeine ausgleichende Gerechtigkeit ein. Gerade als er beschlossen hat, den Mörder den er gefunden hat, nicht aufzusuchen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen, weil all das Töten und die Gedanken der Rache ein Ende haben müssen, gerade als er den Rückweg angetreten hat und ein Lied singt, da findet der Mörder ihn. Ein Ire. Denn die Engländer verstehen es meisterhaft, die Iren zu entzweien, um sie besser beherrschen zu können. Auch hier, im entfernten Amerika, weit weg von England und Irland wirken die alten Strukturen noch fort. Ein Entkomme ist unmöglich. Wie in einer antiken Tragödie nimmt das Schicksal seinen Lauf. Und hinterlässt beim Leser einen bitteren Geschmack. Wenigstens ist James O’Connor nicht als Mörder gestorben.