Allgäu-Charme

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horrorbiene Avatar

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     Der Ahnhof ist der siebte Teil einer Allgäu-Krimi-Reihe um den Journalisten Walcher, seine Haushälterin Mathilde und Kommissar Brunner. Die ersten sechs Bände hat der Autor im Selbstverlag veröffentlicht.
     Mathilde - 69, mit einer besonderen spirituellen Wahrnehmung gesegnet - hat ein starkes Geschichtsbewusstsein, vor allem für das Unrecht, dass der Adel ihrer alten Familie im Laufe der Jahrhunderte angetan hat. Ihre Gabe soll sie auf einem alten Hof anwenden, den ihre Großcousine kaufen und restaurieren möchte. Sie stellt fest, das auf dem Hof einmal Gewalt geherrscht und den Bewohnern Böses widerfahren ist. Doch ihre Großcousine kauft den Hof dennoch. Sie beauftragt Kommissar Brunner, um etwas Licht in die Vergangenheit des Hofes zu bringen. Des Weiteren lebt sie als Hauswirtschafterin bei Walcher, der sich gerade frisch verliebt hat. Auch ihn spannt sie in die "Ermittlungen" ein. Auf der Bühne des Geschehens taucht bald der ehemalige Besitzer des Korbachhofes auf und mit diesem ist nicht gut Kirschen essen und aus welchem Holz er geschnitzt ist, erleben die Protagonisten bald am eigenen Leib.
     Es ist relativ schwierig zu sagen, wer nun der Hauptcharakter ist. Ich tendiere eher zu Mathilde, da Walchers Liebelei leider schnell in den Hintergrund rückt. Wahrscheinlich ist diese eher auf eine längere Entwicklung hin  (in weiteren Bänden) ausgelegt. Das Buch ist über die Perspektiven der beiden hinaus, geprägt von vielen verschiedenen Perspektiv-Wechseln u.a. von der Großcousine, der Ehefrau Korbachs usw. Schön fand ich den Prolog, der über 100 Jahre vor der eigentlichen Geschichte spielt und dem Leser eine Figur näher bringt, um dessen Mord es unter anderem in diesem Buch geht. Über das Alter dieser Figur war ich dann doch ein klein wenig erschrocken, passt aber zur beschriebenen Zeit.
     Liebevolle Beschreibungen zeichnen den Text aus. Da möchte man doch gleich in den Urlaub ins Allgäu fahren. Auch die Mischung aus Mundart (diese wird auch stilistisch eingesetzt), typischen Allgäuer Begriffen (die am Ende des Buches in einem Glossar erklärt werden - super!) und Hochdeutsch  ist sehr gelungen. ... und wenn ein Kater schon "Bärendreck" heißt, will das schon etwas heißen. Die Protagonisten sind ebenfalls liebenswürdig dargestellt. Dies alles schafft Atmosphäre und machte mir beim Lesen unheimlich Spaß. Durch diesen Mix aus Sprache und Ortsbeschreibungen fühlte man sich schon fast, als wäre man auch grad "unten".
     Die Kapitel sind zum Teil sehr kurz. So kurz, dass es den Lesefluss fast schon wieder stört. Dafür wird er durch die Perspektivwechsel sinnvoll aufgelockert und auch die zwischendurch eingeflochtenen Tagebuchpassagen aus der Vergangenheit finde ich passend. Mir kam es jedoch vor, als hätte das Buch in der Mitte etwas an Zug verloren, nachdem es mit der neuen Liebelei Walchers und dem gemeinsamen mystischen Traum Walchers und Mathildes wirklich gut angefangen hat. Erst gegen Ende nimmt das Tempo wieder zu und die Handlung findet ein sinnvolles, mystisches, jedoch nicht wirklich aufregendes Ende. Die letzte Szene zwischen Walcher und Mathilde fand ich wiederum etwas seltsam. Diese kleinen Mängel machen der Charme des Buches und die herrliche Atmosphäre jedoch wieder wett!
     Schade dass doch so oft Bezug auf die Vorgängerbände genommen  - vor allem Walchers Vergangenheit wird oftmals angedeutet - und in diesem Moment leider nicht einiges "wiederholt" wurde. Schade vor allem deswegen, da die Bücher nicht im Buchhandel zu kaufen sind. Bleibt zu hoffen, dass die Bücher später noch bei List/Ullstein erscheinen werden, denn von diesem Allgäu-Charme hätte ich gerne mehr!