Beginn der Geschichte von drei "Helden wider Willen"

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jiskett Avatar

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Vom Cover und der Inhaltsangabe her habe ich einen Roman über fiktive Personen erwartet - nicht aber einen Bericht über drei real existierende Personen. Als nun also direkt zu Beginn der Leseprobe die Namen der Protagonisten und ihre Lebensdaten standen, musste ich erst googeln und habe erfahren, dass die drei wirklich lebten und Capus hier einen Roman geschrieben hat, der scheinbar exakt recherchiert ist.
Da ich sehr an Geschichte interessiert bin, stieg mein Interesse an dem Roman umso mehr, da er nun den Zweiten Weltkrieg nicht nur als Kulisse benutzen, sondern das Leben realer Personen darstellen würde.


"So dachte Emile Gilliéron sich das, aber natürlich kam es anders."
Dieser letzte Satz der Leseprobe weckt zweifelsohne die Neugier des Lesers - wieso kam es anders? Was ist passiert?

Die Erzählung beginnt an dem in der Inhaltsangabe erwähnten Begegnung am Züricher Hauptbahnhof. Alle drei Protagonisten werden "vorgestellt" und man erfährt, aus welchen Gründen sie sich am Bahnhof aufgehalten haben.
Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass die Begegnung der Figuren aber nur sehr fiktiv ist - es dürfte schwer sein, historische Belege dafür zu finden, aber vermutlich würde ein Nachwort des Autors hier Aufschluss geben.

Geschrieben ist der Roman aus der Sicht eines scheinbar unbeteiligten Ich-Erzählers im Präsens. Es gibt im zweiten Kapitel einen Sprung in die Vorgeschichte Emiles (beziehungsweise in die seines Vaters), der dann natürlich auch in der Vergangenheit geschrieben ist.
Immer wieder gibt der Erzähler Wertungen von sich und bewertet seine eigene Erzählung, wie hiermit: "Es wäre ein Zufall, wenn Emile Gilliéron bei der Ausfahrt aus dem Zürcher Hauptbahnhof das Mädchen und den Burschen wahrgenommen hätte, aber ich wünsche es mir." Solche Einwürfe geben der Geschichte einen gewissen Charme.

Während Laura und Felix recht sympathisch wirken, ist Emile mir aktuell noch sehr unsympathisch, was an seinen abfälligen Bemerkungen über die anderen Figuren und die Landschaft zu tun hat. Ich glaube aber, dass sich dies im Verlauf der Geschichte noch ändern könnten - wir erfahren auf diesen 21 Seiten ja noch nicht sehr viel über die Figuren.

Besonders gut haben mir die eindringlichen Beschreibungen gefallen. Capus fängt alles perfekt ein, die vorbeiziehende Landschaft, aber auch Orte, die die Personen besuchen oder die Auswirkungen der Maschine. Man hat die Szenen vor Augen und durch den ruhigen, aber detailreichen Schreibstil wirkt die Geschichte nicht wie ein trockener Bericht über das Leben historischer Personen.
Was mich besonders interessiert, ist die Frage, was genau Capus in seinem Roman darstellen wird. Das Leben der drei Figuren kann ja jeder im Internet nachlesen, aber die Inhaltsangabe verspricht, dass ihre Leben "miteinander verbunden" bleiben. Ich bin sehr gespannt darauf, in welcher Form dies geschehen wird und vor allem, ob der Autor es schafft, den doch sehr unbekannten historischen Persönlichkeiten Leben zu geben, ohne die Details zu verbiegen. Hier fände ich, wie erwähnt, ein Nachwort oder Glossar besonders interessant.
Ich hoffe, durch den Roman mehr zu erfahren, als ein kurzer Wikipedia-Artikel mir geben kann, und eine neue Sicht zu erlangen.