Moriarty und Devereux - die Verbrecher ruhen nicht

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theresia626 Avatar

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Die Geschichte "Der Fall Moriarty" beginnt fünf Tage nach dem Zweikampf zwischen Moriarty und Holmes an den Reichenbachfällen, in dessen Folge beide in den Abgrund stürzen. Der Amerikaner Frederick Chase ist Chefermittler bei der Detektivagentur Pinkerton in New York. Er ist erst nach England und dann weiter in die Schweiz gereist. Als er in England von Bord des Schiffes ging, hatte er in der Zeitung gelesen, dass unterhalb der Reichenbachfälle eine Leiche aus dem Wasser geholt wurde. In der Polizeistation trifft er auf Inspektor Athelney Jones von Scotland Yard. Doch Chase ist nicht auf der Suche nach Holmes, er ist an Moriarty interessiert. Jones und Chase finden bei der Untersuchung der Leiche eine geheime Botschaft, deren Entschlüsselung sie auf die Spur des Amerikaners Clarence Devereux führt. Niemand hat ihn bisher gesehen, aber er ist skrupelloser als alle anderen Verbrecher. Der brutal getötete Jonathan Pilgrim arbeitete als Informant für Pinkerton. Daher weiß Chase auch, dass Devereux nicht nur die ganze amerikanische Unterwelt regiert, er wollte sich mit Moriarty verbünden, um eine transatlantische Zusammenarbeit auszuloten. Scotland Yard hatte immer die Sorge, dass sich Moriarty in Amerika niederlässt, doch jetzt geht die Expansion in die andere Richtung. Chase und Jones reisen umgehend nach London zurück. Sie müssen den übelsten Verbrecher auf diesem Planeten finden, bevor er sein Verbrechersyndikat in London aufbauen kann, denn nach Moriartys Tod kann er dessen ganze Organisation übernehmen.
Anthony Horowitz zweiter Roman "Der Fall Moriarty" kann ohne die Kenntnis des Bestsellers "Das Geheimnis des weißen Bandes" gelesen werden. Der Autor hat die Geschichte in der Zeit angesiedelt, in der Sherlock Holmes untergetaucht war oder als tot galt, und füllt somit eine rätselhafte Lücke. Die Leser der Sherlock-Holmes-Geschichten haben sich immer gefragt, was wohl in diesen drei Jahren bis zu seinem Auftauchen geschehen sein könnte. Ein genialer Schachzug des Autors, denn genau so hätte sich alles zugetragen haben können. Jones ist ein glühender Verehrer von Sherlock Holmes, hat ihn studiert und alles von ihm gelernt. Selbst aus den kleinsten Kleinigkeiten zieht er seine Rückschlüsse und fügt alle Puzzleteilchen erfolgreich zusammen. Chase, der hier als Ich-Erzähler in Erscheinung tritt, erscheint dem Leser von Beginn an etwas suspekt, auch weil er selbst über sich sagt, dass es zu seiner Geschichte gehört, dass er der Chefermittler bei der Agentur Pinkerton ist (S. 12). Was hat es mit dieser Äußerung auf sich? Horowitz hat einen atmosphärisch dichten und spannenden Roman geschrieben der den Leser gekonnt in die alte Zeit versetzt. Am Ende gibt es eine überraschende Wendung, die selbst den erfahrenen Krimileser in großes Erstaunen versetzt. Mir gefällt ganz besonders, in welchem Maße der Autor auf die bekannten Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle Bezug nimmt. Er übernimmt die Randfigur Athelney Jones aus "Das Zeichen der Vier" und macht sie zu seinem Protagonisten. Auch Inspector Lestrade von Scotland Yard, der bei schwierigen Fällen oft auf die Hilfe von Sherlock Holmes angewiesen war, ist wieder mit von der Partie. Es fehlt auch nicht an Anspielungen auf Handlungselemente aus den Originalen. Chase übernimmt bei Horowitz Dr. Watsons Rolle. Alles passt zusammen, es gibt keinen Bruch mit der Tradition. Sir Arthur Canon Doyle hätte an dieser Geschichte seine Freude gehabt, und von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung.