Der Fluch des zweiten Teils…

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caillean79 Avatar

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Ich kenne bereits den Vorgängerband „Das Sündenbuch“ und fand ihn einen schönen historischen Schmöker, wenn auch der historische Tiefgang nicht unbedingt da war.

Nun ist es mit zweiten Teilen immer ein Kreuz – Neuleser sollen sich genau so angesprochen fühlen wie diejenigen, die Band 1 schon kennen. Die Geschichte soll fortgesetzt werden, dabei am liebsten noch spannender sein als der erste Teil, trotzdem sollen auch Erstleser das Buch ohne Vorkenntnisse verstehen. Ich glaube, dass so etwas nicht ganz einfach ist, und einiges von diesen Anforderungen ist Frau Maly hier sicher auch gelungen. Aber es gibt aus meiner Sicht auch massive Schwächen, insbesondere in der Entwicklung der Story und der Hauptfiguren.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen diesmal neben der Prager Apothekerin Jana und dem Wiener Arzt Conrad (die man schon aus dem ersten Teil kennt) der Engländer Richard und sein Diener Tom, die von Sir Walter Raleigh mit einer Schatzkarte in die Neue Welt geschickt werden, um „El Dorado“ zu finden. Auch Jana & Conrad sind mit ihrer Schatzkarte aus dem „Sündenbuch“ mit dem selben Ziel unterwegs. Verfolgt werden sie dabei von dem – ebenfalls aus Teil 1 bekannten – namenlosen Mönch in der dunklen Kutte. Sie müssen allerlei Abenteuer bestehen und ich glaube ich verrate nicht zuviel, wenn ich hier schreibe, dass das sagenumwobene El Dorado am Ende natürlich nicht (wirklich) gefunden wird.

Nun ja, zum Glück klingt Schatzsuche schön abenteuerlich und so werden alle Hauptfiguren in sämtliche der damaligen Zeit entsprechende Bredoullien gebracht. Sie erleiden Schiffbruch, werden von Piraten entführt, es werden Intrigen gesponnen und Kämpfe ausgefochten, sie schweben diverse Male in Lebensgefahr und entkommen so manches Mal nur knapp ihrem Schicksal.

Insgesamt liest sich das Buch schon recht flüssig weg. Es ist nette Unterhaltungsliteratur ohne großen Anspruch, ob die historischen Fakten gut recherchiert sind, weiß ich leider nicht zu beurteilen, da ich mich mit dem Südamerika dieser Epoche nicht so besonders gut auskenne. Da kann man nur auf die Autorin vertrauen. Was mich beim Lesen ab und zu gestört hat, ist die sehr moderne Sprache. Klar, dadurch liest sich das Buch natürlich besser, da die Sprache so ist, wie man sie selbst täglich hört und spricht. Aber ich bezweifle, dass jemand in der damaligen Zeit gefragt hätte „Echt?“, wenn er etwas nicht glauben konnte. Da wäre z. B. ein „Tatsächlich?“ glaubhafter gewesen.

Geärgert hat mich teilweise die Art, wie die Autorin – wohl um die Dynamik der Geschichte aufrecht zu erhalten – die Gedanken und Gefühle der Hauptpersonen vernachlässigt hat. Beispiel: Als ein guter Freund und Weggefährte Janas in einem Kloster vor ihren Augen von dem geheimnisvollen Mönch ermordet wird, sagt sie ihrem Begleiter Bescheid, packt beider Sachen zusammen und drängt auf einen raschen Aufbruch. Seiten vorher war ausführlich davon die Rede, wie sehr ihr der Ermordete ans Herz gewachsen ist und dass sie ihn mittlerweile als sehr guten und engen Freund empfindet. Und dann zieht sie einfach weiter, und lässt diesen engen Freund in seinem Blut liegen, ohne auch nur irgendwem Bescheid zu sagen und für ein anständiges Begräbnis zu sorgen? Wohlgemerkt, wir befinden uns in einem Kloster, in dem das ja wohl kein Problem gewesen sein dürfte… Kein Anzeichen für Schock, wenig Anzeichen für Trauer... nicht sehr realistisch irgendwie. Anschließend denkt sie zwar ab und zu, wie schade es ist, ihn verloren zu haben – trotzdem setzt sie ihren Weg (die Schatzsuche) weitestgehend unbeeindruckt fort. Kaum eine Andeutung findet sich, wie verstörend es für einen Menschen sein muss, eine solche Tat an einem so engen Freund miterleben zu müssen. Man hat bei Jana manchmal das Gefühl, dass sie eine „Überheldin“ ist, die nichts – auch (ein Stück vorher in der Geschichte) nicht der vermeintliche Tod ihres Verlobten – wirklich aus der Fassung bringen kann. Die emotionalen Zwischentöne scheinen in diesem Roman oftmals zu fehlen – Helden sind eben Helden und mehr muss in einem Abenteuerroman nicht herausgearbeitet werden. Ich finde das sehr schade, denn besonders Jana und Conrad wirken dadurch etwas hölzern und ich habe in ihnen keine Tiefe gespürt.

Dadurch empfand ich den Roman trotz der unzweifelhaft vollgepackten Handlung teilweise als etwas langweilig. So richtig gepackt hat er mich nur an wenigen Stellen. Deshalb würde ich ihn auch nur als „netten Schmöker für Zwischendurch“ empfehlen. Vielleicht hätte es dem Buch besser getan, wenn es nicht schon ein knappes Jahr nach Teil 1 erschienen wäre und die Autorin sich etwas mehr Zeit hätte nehmen können, um ihre Figuren besser herauszuarbeiten. Das Buch wirkt auf mich irgendwie "schnell heruntergeschrieben". Aber als Unterhaltungsliteratur funktioniert das Buch sicherlich auch so. Da ich mir nach dem (aus meiner Sicht besser durchdachten) ersten Teil aber mehr erwartet hatte, kann ich nicht mehr als 3 Sterne vergeben.