Geschliffene Episteln zwischen Liebe und Politik

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aennie Avatar

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1816. Die Herrschaft Napoleons in Europa ist vorüber. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist Geschichte. Der Wiener Kongress hat die territorialen Verhältnisse in Europa neu sortiert und geregelt. Federführend ein Mann: Fürst von Metternich. Seine Aufgabe und sein Interesse besteht auch danach im Knüpfen günstiger Bündnisse für das Habsburgerreich. Und dabei ist eine Heirat nicht die schlechteste Idee – dies hat sich in der Vergangenheit schon gezeigt. Zum Glück hat Kaiser Franz I. noch einige unverheiratete Töchter aufzuweisen, und daher ist der Fürst auf diplomatischem Parkett unterwegs, um für die 19-jährige Leopoldine, den passenden Heiratskandidaten ausfindig zu machen. In Dom Pedro, dem Sohn des portugiesischen Königs scheint ein solcher gefunden. Nicht nur die Verquickung zweier Häuser lockt die Herren, auch die Tatsache, dass eben jener Kandidat in Brasilien residiert und dort umfangreiche Bodenschätze im Erdreich schlummern, macht die Verbindung auch in ökonomischer Hinsicht reizvoll.

Auf diesem Tableau entwickelt Peggy Hohmann einen unterhaltsamen, wundervollen Briefroman, der von den Schriftwechseln der wichtigsten Protagonisten untereinander getragen wird: Erzherzogin Leopoldine, ihre Schwester Marie-Louise, Herzogin von Parma und ebenfalls „geschickt verheiratet“ mit Napoleon Bonaparte, Gräfin Lazansky, Erzieherin und Vertraute Leopoldines, Fürst Metternich und seinem diplomatischen Gegenstück aus Lissabon Marquis Marialva. In einer wundervoll ausformulierten Sprache verliert man sich schnell völlig in den kurzen oder längeren Episteln, deren Inhalt von amourösen Anbahnungen bis hin zum weltpolitischen Geschehen und den sozialen Verhältnissen in Brasilien reichen. Auf völlig beiläufige Weise erfährt der Leser so eine ganze Menge über die Politik jenseits des in den Geschichtsbüchern abgehandelten Stoffs zu Wiener Kongress und Kolonialpolitik und beleuchtet vor allem die Person Leopoldines, die, davon gehe ich jetzt einfach einmal aus, den meisten hierzuland unbekannt sein dürfte, in Brasilien aber bis heute tatsächlich eine historisch wertgeschätzte Person ist, die nicht unwesentlich zur Unabhängigkeit des Staates von der portugiesischen Krone beigetragen hat.

Fazit: absolute Leseempfehlung! Der oder besser die Briefwechsel ziehen den Leser völlig in den Bann mit ihrem hintergründigen, schlauen Witz, ihrer feinen, unerwarteten Poetik und ihren fesselnden Schilderungen der Ereignisse.