"Der Vorhang zu und alle Fragen offen" (Zitat)

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
stephanus217 Avatar

Von

Dieses vom großen Reich-Ranicki häufig gebrauchte Zitat aus Bertolt Brechts, Der gute Mensch von Sezuan, Epilog, beschreibt meinen Leseeindruck ziemlich genau.
Dabei ist ein neuer Autor für Krimi-Fans immer eine spannende Sache, entsprechend hoch sind natürlich Neugier und Erwartungen.

Worum geht´s?
Von einen Patrouillenboot der holländischen Küstenwache wird auf einer Sandbank im Wattenmeer im holländisch-deutschen Grenzgebiet ein männlicher Toter entdeckt. Wegen der nahenden Flut wird der Leichnam geborgen, obwohl unklar ist, ob dieser auf niederländischem oder auf deutschem Gebiet liegt. Prompt kommt es zu erheblichen binationalen Verwicklungen um Zuständigkeiten und Kompetenzen. Um die Wogen zu glätten, wird Liewe Cupido, Hauptkommissar bei der Bundespolizei und von allen wegen seiner Herkunft nur der Holländer genannt, gebeten, inoffiziell und diskret Ermittlungen anzustellen, obwohl alles nach einem tragischen Unfall aussieht. Schließlich handelt es sich bei dem Toten um einen deutschen Wattwanderer, eine regionale Berühmtheit, der zusammen mit zwei Freunden viel beachtete Bücher über das Wattwandern geschrieben und unzählige Führungen veranstaltet hat. Mit einem seiner Freunde war er am Vorabend zu einer Wattüberquerung zwischen der Insel Borkum und dem Festland aufgebrochen. Diese Wanderung gilt zwar als überaus anspruchsvoll, aber ist diesem ausgewiesenen Experten tatsächlich ein fataler Fehler unterlaufen sein oder war es doch ein Verbrechen?

Wie war´s?
Ganz ok, könnte man sagen. Für mich gab es eindeutig zu viel Watt. Gleich seitenweise wird das Wattenmeer geschildert, eine Lehrstunde über das Wattwandern inclusive. Als Nichtkenner der Nordsee und auch nur mäßig am Wattenmeer interessierter Leser war das sehr mühsam und für den Fortgang der Geschichte waren diese Beschreibungen auch nicht hilfreich.
Weiten Raum nahm auch das Kompetenz- und Zuständigkeitsgerangel zwischen niederländischen und deutschen Behörden ein. Das hat man schon besser gesehen und gelesen und auch dies hat die Story nicht recht weiter gebracht. Da blieb für die eigentliche Kriminalgeschichte, die durchaus spannend daher kommt, nicht viel Raum. Da bleibt am Ende eine entscheidende Frage offen: Das "warum?" wird nicht beantwortet und auch die Verhältnisse der Protagonisten untereinander bleiben unklar. Das ist unbefriedigend!
Und dann sind da noch die skurrilen Randnotizen:
Ein alter Wattmaler, der nur Fragmente malt, eine (fast) blinde Gerichtsmedizinerin, die Obduktionen durchführt und dann war da noch ein wildgewordener, eitler Ehrgeizling, Revierleiter des holländischen Küstenschutz, der sein eigenes Boot quasi versenkt. Da wäre weniger mehr gewesen.

Aber trotz aller Kritik, es gibt viel schlechtere....