Lehrreich und unterhaltsam geschriebene Reise in die Geschichte der Chirurgie

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soetom Avatar

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Eigentlich mag ich keine Bücher, die blutige Szenen beschreiben, ohne damit eine Geschichte zu erzählen. Das stelle ich an den Anfang, weil dieses Buch dazu gehört und die Autorin des öfteren großen Spaß daran zu haben scheint, ein Horrorszenario aus Blut, Körperflüssigkeiten, abgetrennten Körperteilen und leidenden Menschen zu beschreiben. Das Buch ist nichts für zarte Gemüter. Und eigentlich ist es völlig unnötig, weil die Autorin dazwischen einerseits einfühlsam vom Leben eines begabten Arztes und Forschers erzählt, andererseits fachkundig medizinische Abläufe auch für Laien plausibel darstellt. Dafür hätte sie den Horror nicht gebraucht.

Ich hatte dennoch Spaß am Lesen, denn das Buch beginnt damit, dass Chirurgie am Ende des 19. Jahrhunderds auch etwas von Zirkusvorstellung oder Horrorfilm hatte. Zuschauer drängen sich im Operationssaal und begaffen das Leiden der Patienten. Und im Grunde macht das Buch das selbe mit den Lesern. Vermutlich zieht ein sachlicher Buchtitel einige potoentielle Leser nicht so an, wie der reißerische mit "HORROR" und der Knochensäge auf dem Cover.

Wenn man sich darauf einlässt, ist das Buch ein lehrreicher Blick in eine gar nicht so weit zurückliegende Vergangenheit, in der Medizin nur wenig von dem hatte, was wir heute für selbstverständlich halten. Es ist auch ein unterhaltsam geschriebener Rückblick in eine Gesellschaft, in der oft Stand, "Ehre" und Renomee wichtiger war, als das tatsächliche Können einer Person.

Und nicht zuletzt kann man die heute kaum zu verstehende Weigerung, wissenschaftliche Beweise zu akzeptieren, auch wenn man damit eingestehen muss, dass man selbst bis dahin einem Irrtum gefolgt war, natürlich auch in der heutigen Realität entdecken. Fake News-Rufe gab es wohl schon damals.

Darum ist es wahrscheinlich kein Buch für jeden Leser, aber es ist spannend geschrieben, unterhaltsam und regt zum Nachdenken an.