Der Junge aus dem Vorort von Brisbane

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petris Avatar

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Autofiktion ist dieses Jahr ein großes Thema. Manches gelingt, vieles geht für meinen Geschmack daneben, weil die Distanz zur eigenen Geschichte fehlt. Dieser Debütroman des australischen Journalisten Trent Dalton ist ein gutes Beispiel dafür, wie es klappen kann.
Aufmerksam auf den Roman wurde ich durch den Klappentext. Aufgewachsen unter Kriminellen und Drogendealern? Der Babysitter ein verurteilter Mörder? Den Traum, Journalist zu werden verwirklicht? Das klang spannend. Und auch die Leseprobe gefiel mir, ich wollte weiterlesen. Mit dem Buchgewinn klappte es nicht, aber zum Glück gibt es ja noch meine Lieblingsbuchhandlungen. Dann lag der Roman eine ganze Weile auf dem Stapel, weil sich immer wieder andere Bücher vordrängten. Jetzt war es dann aber endlich so weit!
Trent Dalton nennt sein Alter Ego Eli Bell. Wie der Autor selbst wächst er in einer Vorortsiedlung auf. Seine Mutter ist heroinabhängig, ihr Lebensgefährte ein Dealer, beiden gelingt der Entzug, sie bemühen sich um ein normales Leben, was, wenn man dealt und von Verbrechern umgeben ist, nicht so einfach ist. Eli Bell und sein Bruder August, der seit einem traumatischen Vorfall nicht mehr spricht, sind sich gegenseitig Halt, sie sind intelligent, ehrgeizig in der Schule und haben ihre Träume. Ihr Babysitter ist ein verurteilter Mörder, der sie abgöttisch liebt und sich gut um sie kümmert und mit Geschichten und Weisheiten versorgt. Als der Lebensgefährte der Mutter verschwindet, und sie selber im Gefängnis landet, kommen die Brüder zu ihrem Vater, einen Alkoholiker mit Panikattacken und Lesesucht.
Für Eli Bell ist diese Welt völlig normal, er empfindet all das gar nicht traumatisch, ist eher genervt von allen, die ihm „helfen“ wollen. Er hat seinen Traum: Schreiben für The Courier-Mail, eine Zeitung.
Viel davon ist autobiografisch, allerdings ergänzt der Autor seinen eigenen Hintergrund mit den Schicksalen von Menschen, die unter ähnlichen Umständen aufgewachsen sind, erweitert sie mit einer fantastischen Note, einer Prise Humor, einer Krimihandlung, in der es um Gerechtigkeit geht, einer kleinen Liebesgeschichte und viel Optimismus. Der Roman steckt voller Weisheiten, voller Freundlichkeit, ohne auch nur im Geringsten unkritisch zu sein. Der Erzählstimme Eli Bells hört man gerne zu, man kann gar nicht mehr aufhören zu lesen, leidet mit ihm mit, hofft für ihn und seinen Bruder.
Ein schöner, spannender, sehr ungewöhnlicher Roman. Mich hat er begeistert!