Ganz schön unheimlich, unheimlich gut – wenn Lynch Australier wäre

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darkola77 Avatar

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Was für eine wunderbare Überraschung! Genau das ist dieses Buch für mich – und zwar in vielerlei Hinsicht.
Denn viel zu selten lese ich Literatur (ja, dieser Roman ist Literatur!) australischer Autorinnen und Autoren, um einen Einblick in einen mir fremden Kulturkreis, Lebensart und eine Erzählweise zu erhalten, die – schon aufgrund des journalistischen Hintergrunds Daltons – von den Lesegewohnheiten des fernen Kontingents geprägt sein dürfte, so dass mir dieses Buch ein Tor in eine neue Welt geöffnet hat.
Und dann erst diese große, Jahre und – vielleicht nicht nur gefühlt – viele verschiedene Leben umfassende Geschichte der beiden Brüder August und Eli, die ebenso besonders ist wie es die beiden Jungs selbst sind. In prekären Verhältnissen geboren und aufgewachsen, sind die beiden für einander der größte Halt, und ihr gemeinsamer Umgang mit den erlittenen Benachteiligungen, Verletzungen und Traumata erlaubt es ihnen, eben nicht an diesen zu zerbrechen sondern einen positiv gerichteten Weg in und durch das Leben zu finden.
Doch das, was dieses Buch für mich zu einem ganz einzigartigen Fundstück macht, ist die zweite Ebene, die geradezu „klammheimlich“ über die Realität und das Faktische gelegt wird. Als hätte David Lynch – der Meister des Verstörenden, der Vieldeutigkeit und einer Gänsehaut, die nach und nach vom gesamten Körper Besitz ergreift – die Feder geführt, klingelt auf unerklärliche Weise ein mysteriöses rotes Telefon, stirbt und lebt ein blauer Zaunkönig, und plötzlich ergibt alles einen Sinn, greifen sämtliche Zahnräder ineinander, erklärt sich alles, wirklich alles – oder eben gerade auch nicht.
Insbesondere die letzten 100 Seiten waren ein so intensives, überwältigendes Leseerlebnis für mich, dass ich erst sprach- und fassungslos ob der Fügungen und Wendungen war und nun so begeistert, beglückt und erstaunt bin über dieses großartige, für mich einzigartige Werk.
„Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig“ – für mich ist es der Anfang von etwas ganz Großem und eines begnadeten Schriftstellers.