Natur und Augenblicke schätzen, aber das Leben nicht vorbei ziehen lassen

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elke seifried Avatar

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Elsa hat den Hof der Eltern zu einer Auberge ausgebaut, die sich, ihren Zwillingen und ihrem Bruder Robert ein Auskommen bietet. Während es ihre Aufgabe ist, sich liebevoll um die Gäste zu kümmern, zieht Robert es vor, sich hinter dem Herd, an dem er die leckersten Gerichte kreiert, oder in seinem Gemüsegarten abzuschotten. Seine Liebe lässt er lieber seine Karotten oder Hühner spüren, mit denen er redet oder denen er auch vorliest. Selbst den beiden sechsjährigen Zwillingen, die er insgeheim vergöttert, kann er dies nicht wirklich zeigen, viel zu hart ist sein Panzer. Allerdings hat er nicht mit Fatima gerechnet, denn „Normalerweise schafft er es, die Leute so vor den Kopf zu stoßen, dass sie sich am Ende weigern, mit ihm zu arbeiten. Fatima jedoch scheint seine mürrische Art nichts anhaben zu können.“, was auch für ihren Sohn Hassan gilt. Als dann auch noch deren Freundin Maggie aufschlägt, gerät Roberts Leben völlig aus der tief eingetretenen Spur.

Als Leser darf man nun in einer sehr warmherzigen und berührenden Geschichte verfolgen, wie der liebenswerte Grantler Stück für Stück aus seinem Schneckenhaus kommt, er sich wieder dem Leben und neuen Erfahrungen öffnet und auch wieder Gefühle zulässt, mehr wird gar nicht verraten.

Die Autorin beschreibt mit vielen Vergleichen und Bildern, sodass ich die Szenen stets bildlich vor Augen hatte. Ich konnte mir den eigentlich höchst liebenswerten Kauz und Grantler bestens vorstellen, schon zu Beginn als er sein in den Tee getränktes Brot schlürft. Eine Eigenheit, die mir sonst ja nicht gefällt, aber hier einfach passt und auch Vorlage bietet, um am Ende den Kreis wieder gekonnt mit einer zu Herz gehenden Szene zu schließen. Witzige Dialoge wie, »Aber gerade Verabredungen jagen mir immer eine Heidenangst ein.« »Ich hatte zwar bislang nur welche mit Zucchini und Möhren, aber was diese anbelangt, kannst du mir vertrauen. Im Garten bin ich sozusagen Fachmann im Gemüseabschleppen.«, oder solch pointiert, witzige Beschreibungen und Vergleiche wie „Mit seinen zweiundfünfzig Jahren ist er etwa so gesprächig wie ein frittierter Karpfen, und trotz all ihrer Bemühungen gelingt es Elsa nur schwer, ihm ein paar zusammenhängende Worte zu entlocken.“ haben mir oft ein Schmunzeln entlockt. Es ist eine leise Geschichte, ohne große Aufregungen, sieht man von denen für Robert einmal ab, nichtsdestotrotz habe ich gefesselt gelesen, weil mich die Autorin emotional so richtig am Wickel hatte. Sehr gut hat mir auch die Botschaft gefallen, die Natur, unsere Lebensmittel und auch die Magie des Augenblicks wieder mehr wertzuschätzen.

>>Sie verstehen es, den Augenblick zu nutzen, Sie kennen die Geheimnisse der kleinen Dinge, die glücklich machen– und das ist eine sehr wertvolle Eigenschaft.« Ich konnte gar nicht anders als den 52-jährigen mürrischen Junggesellen, der sich so von allen Menschen abgeschottet hat, sofort ins Herz zu schließen, so sehr hat mich seine Art berührt. Von seinem Respekt, den er der Natur, den Lebensmitteln und den Tieren entgegenbringt, könnte sich so mancher ein Scheibchen abschneiden. Auch wie sehr er in sich ruhen kann, ist unserer digitalisierten, hektischen Zeit einfach schön zu sehen. Toll gezeichnet sind auch all die anderen Darsteller, bei den süßen Zwillingen, die ihren Onkel besser kennen als ihm bewusst ist, über Hasan, der Robert gar nicht so unähnlich ist oder auch Maggie und Fatima, die beiden Frauen mit viel Gespür, die wissen wie sie Robert ködern können. Allesamt ein liebenswert, individueller Haufen, mit dem ich gerne meine Lesezeit verbracht habe.

"Ein Buch voller Zuversicht, das mit seiner Sanftheit die Seele berührt", mit diesem Versprechen wird für das Buch geworben und das meiner Meinung nach völlig zu Recht. Gerne 5 Sterne