Die abenteuerlichen Erlebnisse eines Postboten auf Lanzarote

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Pedro - Postbote in dritter Generation auf Lanzarote - leidet unter der zunehmenden Digitalisierung des Schriftverkehrs. Ab und zu mal eine Mahnung, eine Rechnung und vor allem Werbesendungen sind ihm für seine tägliche Zustelltour geblieben. Mit seiner Diensthonda fährt er mindestens zweimal in der Woche auf die andere Seite der Insel, um dort einen Café con leche zu trinken, schließlich muss er anhand der gefahrenen Kilometer nachweisen, dass er auch weiterhin als Postbote unabkömmlich ist. „Pedro kurvte über die Timanfayastraße auf die gleiche Art, wie wahrscheinlich Charlie Chaplin so eine Honda gefahren hätte. Er liebte es auf geraden Strecken verspielte Bögen und sanfte Schleifen zu fahren (sie brauchten ja auch ein bisschen mehr Zeit und Kilometer), aber er missachtete dabei ständig die durchgezogene Linie“ (S. 84). Seine Kollegen haben sich überwiegend neue zusätzlich Geschäftsfelder erschlossen, doch Pedro möchte davon nichts wissen. „Pedro hatte das mehrfach gelesen und gespürt, dass er von Worten wie E-Postsafe, E-Postscan oder E-Postportal Rückenschmerzen bekam, nicht nur das: Verdauungsstörungen, Übelkeit, Schwindel. Herzrasen, Herzstolpern, Atemnot“ (S. 99). Lediglich WLAN bietet er als neuen Dienst in seiner „Filiale“ an, was im Verlauf der Geschichte noch zu einer wunderbaren Begegnung führt. Pedros Tage plätschern dahin. Er bringt seinen Sohn zur Schule, fährt ein wenig durch die Gegend, trinkt Kaffee, sieht sich regelmäßig Kinofilme an, holt seinen Sohn Miguel von der Schule ab, hilft bei den Hausaufgaben und sortiert die wenigen Postwurfsendungen für den kommenden Tag. Sein beschauliches Leben ändert sich als er seinen alten Freund Tenaro nach vielen Jahren wieder trifft. Tenaro leidet unter der Globalisierung, musst seinen Beruf als Fischer aufgeben - gegen die großen Schiffe mit ihren Schleppnetzen hatte er keine Chance zu bestehen. Temperamentvoll, schnell aufbrausend und immer begeistert von einer neuen Idee, einem neuen Geschäftsfeld wirbelt er Pedros Leben durcheinander: (…) das klang wieder nach so einem wahnwitzigen Tenaro-Projekt“ (S. 315). Die Ereignisse überschlagen sich und Pedro wird von seiner Frau Carlota verlassen, die mit Miguel nach Barcelona zieht. In dieser persönlichen Krise erhofft sich Pedro Hilfe von dem auf Lanzarote lebenden Literaturnobelpreisträger José Saramago. Schließlich hatte ein anderer Nobelpreisträger - Pablo Neruda - im Film „Il Postino“ auch einem Postboten zum privaten Glück verholfen.

Moritz Rinke hat eine äußerst kurzweilige Geschichte voller lebendiger Charaktere geschrieben. Der Roman beschäftigt sich auf eine hintergründige Art mit Problemen der Ausbeutung, Globalisierung, Digitalisierung, Krieg, Rassismus, Flüchtlingen und Schlepperbanden. Geschickt verwebt Rinke auch Geschichtliches in seinen Roman - vor allem der Putsch General Francos, der mit Unterstützung des Deutschen Reichs stattfand, spielt eine große Rolle. Das alles liest sich wunderbar leicht, zuweilen tragisch-komisch und ist eine große Liebeserklärung an Lanzarote, das Kino, die Literatur, die Freundschaft und den Fußball. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen - großes Kino!.